NHL Observer

Die NHL-Playoff-Semifinals und nun auch der Stanley-Cup-Final haben zwei Sportmärkte noch intensiver in den Fokus gerückt: Süd-Florida und die Metropolregion Las Vegas. Während Florida seit jeher eine grosse Tradition mit Major League- und College-Sportmannschaften pflegt, entwickelt sich Las Vegas zur neuen Lieblingsdestination für die Etablierung neuer Sport-Franchises und der Sportvermarktungsindustrie.

Die Vegas Golden Knights haben ihren dritten Matchpuck für den Stanley-Cup-Finaleinzug genutzt und die Miami Heat haben im NBA-Conference-Finale in Spiel 7 gegen die Boston Celtics den Finaleinzug geschafft.

Sportbegeisterung in der Metropolregion Florida Dade

Somit wird die Metropolregion Miami Dade/Sunrise/Fort Lauderdale zum gleichen Zeitpunkt zwei Finalserien in zwei grossen Mannschaftssportarten erleben. Eine grosse Chance insbesondere für die Eishockey-Community, die im Vergleich zur NBA und Basketball NCAA (College), Baseball, Soccer und speziell zur Football-Fangemeinschaft (NFL und Colleges) nach wie vor eher klein ist. Für viele Sportfans in Florida, speziell natürlich in Süd-Florida, könnte es einer der spannendsten Sportmonate seit Jahrzehnten werden. Bekannt ist jedoch, dass Basketball in Süd-Florida aufgrund der demografischen Zusammenstellung der Bevölkerung und wegen der Tradition weitaus populärer ist als Eishockey. Das wird die Aufmerksamkeit im lokalen Markt etwas spalten.

Der Sport-Markt im Bundesstaat Florida ist einer der grössten in den USA und deshalb wichtig auch für die NHL und derer Vermarktungspolitik. Das hat, neben der Tatsache, dass Millionen von potenziellen neuen Fans zu gewinnen wären, auch einen ganz strukturellen Grund: Der Bundesstaat Florida gewährt professionellen Sport-Franchises seit 1991 einige Subventionen in Form von Steuererleichterungen. Mittlerweile beherbergt Florida drei Teams in der NFL, zwei Teams der MLB, zwei Teams in der NBA, zwei Teams in der NHL, zwei in der Major League Soccer MLS und nicht weniger als 13 College-Teams in der NCAA Division I, die im Vergleich zu den Major League Clubs zum Teil doppelt oder dreifach so viel Fans generieren. Interessanter Fun-Fact hierbei: Erst 1966 erhielt Florida sein erstes dauerhaftes professionelles Major-League-Sportteam, als die American Football League die Miami Dolphins aufnahm.

Vegas - der Expansionsmarkt der Zukunft

Während Florida ein traditioneller Sportmarkt ist, entwickelt sich Las Vegas zum Expansionsmarkt Nummer Eins. Nach den Vegas Golden Knights und dem Zuzug der NFL-Franchise der Raiders aus Oakland, werden bald auch die „A's“ (Oakland Athletics) als MLB-Team folgen. Noch nicht in unmittelbarer Aussicht ist der Zuzug eines NBA-Teams in Vegas. Aber der Besitzer der Golden Knights, Bill Foley, arbeitet vehement in diese Richtung. Es ist auch naheliegend, da die T-Mobile Arena als Multifunktionsarena in Paradise, südlich von Las Vegas, konzipiert wurde und auch so genutzt wird. Die Halle entstand nahe dem Las Vegas Strip zwischen dem New York-New York Hotel & Casino und dem Park MGM und kostete 375 Mio. US-Dollar. Von Anfang an stand der Plan, dass man mindestens eine weitere Major-Sports-Mannschaft in diesem Komplex beherbergen sollte.

Auch die Major League Soccer wird Ende 2023 ein neues Expansionsteam vorstellen. Und hier liegen San Diego und Las Vegas in der Pole Position. Unter dem reinen Wachstumsgesichtspunkt ist dies gut nachvollziehbar, da die MLS in weniger gesättigte Märkte mit potenziellem Fussball-Interesse vordringen möchte. Auch nahm David Beckham an einem Treffen mit Mark Davis, dem Eigentümer der Las Vegas Raiders, teil, bei dem es um die Möglichkeit einer Zusammenarbeit ging.

Sonderfall Vegas

Warum auch bei der MLS-Expansion Las Vegas gerne favorisiert wird, hat wiederum mit der demografischen Entwicklung zu tun, aber nicht nur: Der Sportmarkt in Vegas ist nämlich so oder so ein Sonderfall. Das übergeordnete Marketingziel der Franchises ist hierbei nicht unbedingt eine Kundenbindung bei der unmittelbaren Fangemeinde vor Ort, sondern die Etablierung der Darbietung als Teil der hiesigen Unterhaltungsindustrie. Mindestens so wichtig wie die Lokalbevölkerung als Zielgruppe sind die Touristinnen und Touristen. Genau so ist man in der Vermarktung der Knights aufgestellt. Die Customer Journey und das Kundenerlebnis gehören zu den Prioritäten. Der sportliche Erfolg macht das Produkt dann noch attraktiver. Das Produkt wird sich also deshalb durchsetzen, weil die Voraussetzungen des Standortes gegeben sind.

Aber nicht nur diese Vermarktungsmöglichkeiten sind der grosse Treiber für den genannten Relocation- und Expansionmarkt Las Vegas. Es gibt auch handfeste quantitative Marketingziele: Die Metropolregion Las Vegas zählt mehr als 2,15 Millionen ständige Einwohner (ohne die saisonalen Bewohner und Arbeitskräfte und Pendler:innen), über 42,5 Millionen Besucher jährlich und im Geschäftsumfeld der Stadt Las Vegas befinden sich über 60'000 Firmen. Die Stadt hat sich seit 1990 im das Dreifache vergrössert. Und ein Detail ist zudem ganz wichtig: Einige Ligen haben ihre Regulierungen betreffend der Vermarktung von Glücksspiel-Angeboten abgeschwächt. Besonders in der MLB hat sich die Haltung zum Glücksspiel aufgrund der zunehmenden Online-Wetten im ganzen Land abgeschwächt. Wenn es Nachteile gäbe, so hat eine hiesige Marktforschungsagentur folgendes festgestellt: Es fehle noch immer an einer starken Identifikation der Einheimischen mit den neuen Major-League-Clubs – wobei bei den Golden Knights diese erstaunlich gut voranschreitet. Dies natürlich auch aufgrund des sportlichen Erfolgs. Aber: Die Bürger:innen von Las Vegas sind oft anderen Teams verbunden oder arbeiten an Spieltagen. Es scheint also, dass nur wenige Sportmärkte unter der Sichtweise der Vermarktung ähnlich starke Merkmale wie Las Vegas aufweisen. Je nach Sportart und in mehreren kleineren Ballungsräumen gibt es unterschiedliche Varianten, und selbst dann erweist sich Las Vegas als einzigartiger Unternehmensmarkt.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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