NHL Observer

Die einen jubeln, die anderen seufzen. Man kann die aktuelle Zusammenstellung der beiden Stanley-Cup-Halbfinalserien aus unterschiedlichen Standpunkten förderlich oder kontraproduktiv für das Produkt NHL finden. Die NHL-Playoffs 2023 sind eine Erfolgsgeschichte für jene Franchises, die nicht in den traditionellen NHL-Märkten zuhause sind. Ist das ein Desaster für die Vermarktung der NHL oder vielleicht eine grosse Chance? Wir stellen uns hier folgende Fragen: Wie nachhaltig ist der sportliche Erfolg? Und: Werden die Conference-Finalisten von ihrem Playoff-Erfolg profitieren und wie?

NHL-Commissioner Gary Bettman muss wohl auf Wolke Sieben tanzen. Die Zusammenstellung der Halbfinal-Serien mit drei Südstaaten-Teams und einer Expansion-Franchise – ebenfalls aus dem Süden - bestärkt ihn in seiner Strategie. Nur noch der Halbfinaleinzug der Seattle Kraken als das neueste Expansionsteam aus einem brandneuen NHL-Markt hätte dies noch getoppt. Kein Wunder jubiliert der Commissioner, macht er seit Jahrzehnten doch keinen Hehl daraus, dass seine Hauptstrategie die Expansion der NHL in neue Märkte ist und dieses Ziel absoluten Prioritätscharakter geniesst. Nicht umsonst werden auch künftig NHL-Hochburgen bezüglich Interessenpotenzial der Bevölkerung wie beispielsweise Québec City keinen Zuschlag erhalten, wenn es um die Rückführung oder Neu-Etablierung einer NHL-Franchise geht. Ganz im Gegenteil: Man versucht die Arizona Coyotes und Florida Panthers fernab jeder perspektivischen Logik zu unterstützen und etabliert mit Blick auf eine langfristige Entwicklung und die Wirtschaftskraft der Standorte neue Märkte wie Las Vegas und Seattle. Der Masterplan Bettmans geht aber nur auf, wenn mittelfristig die sportlichen Erfolge in nachhaltiger Form umgesetzt werden, indem sich Eishockey im jeweiligen neuen Markt etabliert.

Wenn man begutachtet, welche dieser NHL-Franchises ihre bisherigen sportlichen Erfolge in eine mittel- oder gar langfristige Nachhaltigkeit bezüglich Vermarktung und Publikumsinteresse ummünzen konnten, ist Ambivalenz angesagt. Schauen wir uns die vier NHL-Standorte und Organisationen im Einzelnen an:

Sonderfall Vegas

Die Vegas Golden Knights darf man getrost als Sonderfall anschauen. Das übergeordnete Marketingziel ist hierbei nicht unbedingt eine Kundenbindung bei der Fangemeinde vor Ort, sondern die Etablierung des NHL-Hockeys als Teil der hiesigen Unterhaltungsindustrie. Mindestens so wichtig wie die Lokalbevölkerung als Zielgruppe sind die Touristinnen und Touristen. Genau so ist man in der Vermarktung der Knights aufgestellt. Die Customer Journey und das Kundenerlebnis gehören zu den Prioritäten. Der sportliche Erfolg macht das Produkt dann noch attraktiver. Das Produkt wird sich also deshalb durchsetzen, weil die Voraussetzungen des Standortes gegeben sind. Nicht umsonst hat auch die NFL den Weg nach Vegas gefunden und bald kommen NBA- und MLB-Franchises hinzu.

Bei den Dallas Stars zeigt sich seit vielen Jahren, dass das Produkt NHL genau dann funktioniert, wenn der sportliche Erfolg eintritt. Die Franchise hat sich seit 1993 etabliert in der NHL-Familie. Trotz des Standortes, der nicht unbedingt für Eishockeyaffinität steht. Aber ähnlich wie in anderen Südstaaten-Standorten konnte man immerhin eine „Bubble-Kundenbindung“ mit treuer Anhängerschaft erreichen. Die neuen Fans kommen nicht in Scharen, aber Eishockey ist sowohl in der NHL wie auch in der AHL (Texas Stars in Cedar Park rund 300 Kilometer entfernt von Dallas) etabliert und in der Bevölkerung präsent. Nach wie vor aber sind die anderen US- Mannschaftssportarten populärer. Fazit: Die Dallas Stars darf man bezüglich Nachhaltigkeit als eine relativ gelungene NHL-Expansion bezeichnen.

Florida Panthers: Nur ein Strohfeuer?

Im Jahr 1996 haben die Florida Panthers, nur gerade drei Jahre nach ihrer Integration in die NHL-Familie, in memorablen Playoffs die Stanley-Cup-Finals erreicht. Damals spielte man noch in der alten Miami Arena (bis 1998). Eine gewisse Euphorie entstand, die jedoch jäh gebremst wurde, als der sportliche Erfolg ausblieb. Besonders der Umzug nach Sunrise (Miami Dade/Fort Lauderdale) war zunächst kontraproduktiv - auch wenn man in eine viel modernere Arena einzog. Immer wieder flackerte leichte Begeisterung auf, wenn der sportliche Erfolg eintrat (zum Beispiel mit der Presidents’ Trophy 2022) und spannende Playoffs – speziell gegen den Rivalen aus Tampa – anstanden. Aber nie blieb diese nachhaltig und die Vermarktung der „Cats“ war weder auf nationaler wie auch regionaler Ebene erfolgreich. Tickets werden in Event-Bundles geradezu verschenkt und die Fans der Gegner sind bei Heimspielen oft in der Überzahl. Eishockey bleibt in Florida nur eine Randsportart. Aber man kann die Carolina Hurricanes zum Beispiel nehmen: Diese haben es geschafft, eine neue Hockey-Fankultur mit Kundenbindung zu etablieren. Genau dies konnten die Panthers nie erreichen. Die „Canes“ haben im Bereich des Marketings aber erst in den letzten sechs Jahren viele und die richtigen Massnahmen umgesetzt - und das vor allem bei neuen und jüngeren Zielgruppen. Die Zeit der Modefans ist vorbei und man hat eine neue Canes-Community schaffen können. So lange das Team erfolgreich, beliebt und populär bleibt und die regionale Vermarktung erfolgreich ist, kann man hier von Nachhaltigkeit sprechen.

Fazit: Das Ziel bleibt die Kundenbindung

Das Ziel muss nun sein, die Wirkung der Vermarktungserfolge und Etablierung der Dallas Stars oder kürzlich der Vegas Golden Knights als Beispiele heranzuziehen. Dies gilt besonders für die Panthers und auch für die ganze Liga, die gemäss des Vermarktungs-Rahmenvertrags auch davon profitieren möchte. Als beste Beispiele für gelungene Expansion gelten die Los Angeles Kings und Tampa Bay Lightning. Aber auch hier waren das strategische Zielgruppen-Marketing, ein optimales Timing und die sportliche Kontinuität die Basis für die Etablierung einer NHL-Community. Von dieser Konstanz sind speziell die Panthers noch weit weg.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.