NHL Observer

Kürzlich wurden die TV- und Streaming-Quoten der NHL publiziert. Die Zahlen in den USA sind im Vergleich zum Vorjahr ernüchternd, obwohl mit der Walt Disney Company und ESPN seit einem Jahr und für die nächsten sechs Saisons ein innovativer Vertrag für Fernseh-, Streaming- und Medienrechte abgeschlossen wurde. Was steckt hinter der Entwicklung?

Die NHL sorgt jetzt schon vor, um bei einem Zielgruppen-Generationenwechsel vorzubeugen und die Fans der Zukunft nicht an die anderen Sportarten und Sportverbände zu verlieren. Die Konkurrenz bedient nämlich bereits seit Jahren intensiv die Zielgruppe der Generation Z sowie die flankierenden Zielgruppen im Bereich der Mediennutzung und beim Content Marketing.

Wichtigste Mission: Zielpublikum der Zukunft an sich binden

Die Entscheidung der NHL mit der Walt Disney Company und ESPN (mit im Boot sind bei diesem Deal noch ABC für die Stanley-Cup-Finalserie und hulu für Stream-TV) einen Sieben-Jahres-Vertrag für Fernseh-, Streaming- und Medienrechte abzuschliessen, hat nicht nur einen wertschöpferischen Grund. Der Deal bringt der NHL pro Jahr 400 Millionen US-Dollar ein, ist also bis Ablauf rund 2,8 Milliarden US-Dollar wert. Das ist doppelt so viel wie der abgelaufene Vertrag mit NBC. Der neue, auf innovatives Content Marketing zielende Vertrag, der seit der Saison 2021/22 läuft und bis zur Saison 2027/28 gilt, wurde bei der Präsentation von den Machern als visionär bezeichnet. Die Walt Disney Company soll das Zielpublikum der Zukunft auf den ihnen reichlich zur Verfügung stehenden modernen Medienplattformen binden. Nur ist das bisherige Fazit in Bezug auf die TV-Quoten nicht wirklich positiv. Die nationalen Ratings in den USA sind in der Zwischenzeit wieder um 22 Prozent gesunken - wie auch die durchschnittliche Zuschauerzahl der NHL in dieser Saison von 478‘000 auf 373‘000 Zuschauer gesunken ist. In Kanada blieben die Quoten wie immer zufriedenstellend hoch. Dabei war der Anstieg der Zuschauerzahlen im ersten Jahr der neuen Fernsehverträge signifikant und man beobachtete ein beispielloses Wachstum bei weiblichen und jüngeren Fans. Laut NHL-Untersuchungen sind 37 Prozent der Eishockeyfans weiblich. Das ist 26 Prozent mehr als noch 2016 in dieser Bevölkerungsgruppe. Marketingfachleute bestätigen, dass mit einer grösseren (vermeintlichen) Nähe zu den Spielern mittels Social Media dieser Trend möglich wurde.

Commissioner Gary Bettman liess an einer Pressekonferenz am 1. Februar 2023 verlauten, dass insgesamt das Mediennutzungsverhalten sich geändert habe und nicht nur die NHL bei den Zuschauerzahlen einbüssen würde. Immerhin: Die Vermarktung der Werbezeiten und im Bereich der Werbeeinnahmen konnten einigermassen zufriedenstellende Zahlen erreicht werden. Marketingfachleute wissen zudem: Bei aller Kritik muss man bedenken, dass bei einer Neu-Zielgruppenerschliessung die Wirkung der Marketingmassnahmen und jene der Zielgruppenbindung immer mit gewisser Verzögerung eintritt.

Berücksichtigung des Mediennutzungsverhaltens ist die einzige Alternative

Der Weg, den die NHL geht, ist nicht falsch. Ganz klar muss man sich der Herausforderung stellen, dass sich das Mediennutzungsverhalten ändern wird und die potenziellen Zielgruppen heterogener werden. Das wird nicht leicht, zumal die Generation Z - also die Jugendlichen von heute – sich nicht einfach als Kundschaft dauerhaft binden lässt. Da ist es nur logisch, dass man neue Wege geht. So wie beispielsweise bei ESPN, das nunmehr TikTok als eine der neuen Hauptkommunikationsplattformen im NHL Content Marketing nutzt. Das Stichwort Content Marketing ist da entscheidend: Man probt bereits mit Metaverse, alternativen Formen des Kommentierens von Spielen extra für die entsprechenden Zielgruppen, mit noch personifizierteren Themen und vielen anderen neuen Inhaltskonzepten.

Dass es sich mittelfristig lohnt, neue Wege zu gehen, zeigt sich beispielsweise beim innovativen Marketing der Carolina Hurricanes. Diese haben vor knapp vier Jahren angefangen, ihr Content Marketing voll auf die neuen Zielgruppen zu richten. Dies galt auch für die Art der Verbreitung der Inhalte. Seitdem, begünstigt natürlich durch den sportlichen Erfolg der Mannschaft und deren attraktiven Spielweise, ist die ehemalige NHL-Einöde Raleigh zu einem netten Fan-Hotspot mit einer treuen und neuen Fangemeinde geworden. Möglich wurde dies aber auch nur, weil die Mannschaft und das Umfeld in die Content- und Marketingmassnahmen miteinbezogen wurden.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.