Sean Monahan, Mike Matheson, Juraj Slafkovsky, Kirby Dach ... diese vier Neuankömmlinge sind Teil des Rebuild-Konzeptes für die Saison 2022/23 der Canadiens de Montréal. Dieser Neuaufbau begann jedoch schon während der letzten Saison, als die Führungsriege im Bereich Sport und der Cheftrainer ausgetauscht wurden. Letzterer ist kein geringerer als Martin St.Louis, der seine erste komplette Saison als Cheftrainer angeht.
Jugend forscht
Ganz so wie im bekannten Song „Alles Neu“ von Peter Fox ist die Ausgangslage nicht bei den Canadiens de Montréal. Nach wie vor befinden sich einige der Playoff-Helden von 2021 im Kader mit einer wichtigen Rolle im Team und einige der Jungstars von damals sind nun gereift und werden eine Schlüsselrolle einnehmen. Allen voran Nick Suzuki, der sogar zum Captain befördert wurde und Cole Caufield. Was wirklich neu ist: Es startet eine stark verjüngte Mannschaft in die Saison 2022/23, bei welchem neurekrutierte Spieler wie Juraj Slafkovsky und Kirby Dach in der Offensivabteilung integriert werden. Aber auch in der Defensive heisst es ab jetzt „Jugend forscht“, assistiert von erfahrenen Backs wie Mike Matheson (neu bei den Habs - soll Jeff Petry ersetzen), David Savard, Joel Edmundson und Chris Wideman. Die jungen Verteidiger - unter ihnen in erster Linie Kayden Guhle, aber auch Arber Xhekaj, Jordan Harris, Justin Barron, Corey Schueneman und einige weitere sehr talentierte Nachwuchsspieler - werden viele Einsätze erhalten. Was aber fehlt, ist ein typischer Offensivverteidiger wie Jeff Petry oder Alexander Romanov. Diesen hatte man ja in einem Dreiecks-Trade an die Islanders abgegeben, um von den Chicago Blackhawks den jungen Center Kirby Dach zu erhalten.
„Sophomore Jinx“ für den Rookie-Chefcoach?
Auf Martin St.Louis warten also einige Herausforderungen. Jetzt heisst es für den Rookie-Coach nicht mehr „korrigieren und motivieren“ sondern „fördern und entwickeln“. Als Quereinsteiger konnte der ehemalige NHL-Star mit seiner Präsenz und Motivationsgabe einiges bewegen und neue Zuversicht bei den Habs erwirken. Nun aber muss er sich seit dem Sommer 2022 als Cheftrainer in den Bereichen Spieltaktik, Spielerentwicklung und Teamführung beweisen. Dies sind ungleich schwierigere Aufgaben. Und dennoch vertrauen ihm Clubführung und die meisten in der grossen Fangemeinschaft, denn er kann auf eine interessante Ausgangslage zählen, die ihm General Manager Kent Hughes und Jeff Gorton - der Executive Vice President of Hockey Operations und hinter Besitzer Geoff Molson seit Marc Bergevins Freistellung der wahre starke Mann im Club – beschert haben.
In der Offensive wurde ebenfalls eine softe Kadermutation eingeleitet. Von Sean Monahan und Evgenii Dadonov werden neue Scoring-Touch-Impulse erwartet. Kirby Dach ist vorgesehen als zweiter Center – ein vakanter Posten, der letzte Saison oft Anlass zu Diskussionen lieferte. Juraj Slafkovsky wird viel zugetraut, weil der Nummer-Eins-Draftpick 2022 sich bereits im Erwachsenenhockey auf internationaler Bühne etablieren konnte. Das Line-Up liest sich also ganz gut, da auch die bisherigen Leistungsträger und Rollenspieler dem Team gut zu Gesicht stehen.
Ohne Carey Price - wie performen die Goalies?
Die grössten Fragezeichen und Herausforderungen sind woanders auszumachen: Wie bereits erwähnt fehlen nunmehr in der Defensive Spielertypen wie Jeff Petry, Alexander Romanov und auch Shea Weber, der bereits letzte Saison verletzungsbedingt ausfiel. Wird Mike Matheson als Blueliner im Überzahlspiel dominieren und produzieren wie einst Shea Weber und Jeff Petry? In der Offensive stellt sich die Frage, ob das Zentrum mit den drei Centern hinter Topstar Nick Suzuki gut genug besetzt ist und man mit Christian Dvorak, Kirby Dach und dem hoch geschätzten Defensivcenter Jake Evans um eine Playoff-Teilnahme kämpfen kann. Und wie steht es um Jonathan Drouin – einst im Tausch für den Erstrunden-Draftpick und Hoffnungsträger Mikhail Sergachev nach Montréal geholt und jetzt in seinem letzten Vertragsjahr? Und wie performt Mike Hoffman? Können die beiden Grossverdiener endlich auch über eine ganze Saison die Erwartungen erfüllen? Das grösste Fragezeichen ist jedoch die Goalieposition - bis 2021 eigentlich immer Anlass für Titelträume. Doch jetzt ist die Goaliefrage endgültig zum Sorgenkind mutiert: Carey Price wird auch diese Saison aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme fehlen. Jake Allen – unter Fachleuten gilt er als bester Backup-Keeper der NHL, aber nicht als Top-Stammgoalie - muss erneut als designierte Nummer Eins ran. Und die Angst vor der Verletzungshexe geht um. Jake Allen darf eigentlich nichts zustossen, denn Samuel Montembeault ist ebenfalls mehr ein NHL -Backup als ein Stammgoalie. Und alle sind sich einig, dass Cayden Primeau auf seinem Weg zum NHL-Topkeeper unbedingt noch eine oder zwei volle Saisons in der AHL braucht.
„Keep Calm & Carey On“
Fazit: Grund zur Vorfreude und Optimismus besteht, denn diese Mannschaft könnte viel Freude bereiten und attraktives Hockey bieten. Aber die zwei bis drei grossen Fragezeichen sorgen für etwas tiefere Falten auf der Stirn als allen in Montréal lieb sein kann.
Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.
