NHL Observer

Es hätte nicht besser kommen können: Die Zusammensetzung der Teams in den beiden Halbfinalserien waren nicht nur im sportlichen Kontext spannend. Jubeln konnten auch die Medien und die Vermarktungsindustrie. Für die Vermarktung der Semifinalpartien war die Konstellation mit den Duellen „North vs. South“ zwischen Clubs mit einer gewachsenen Tradition ein Wunschszenario.

Mit den New York Rangers und den Edmonton Oilers kämpf(t)en noch zwei Clubs mit einer grossen Tradition und Fangemeinde um den Einzug in die Stanley-Cup-Playoffs. Aber auch die Colorado Avalanche und Tampa Bay Lightning gehören mittlerweile zu jenen NHL-Unternehmen, die sich in ihren Märkten nicht nur etabliert haben, sondern auch eine gewachsene und treue Community aufgebaut haben. Auch wenn sich die NHL aufgrund der Marketingziele im Zuge der Expansionsstrategie zurecht wünscht, dass regelmässig jene Clubs mit noch viel Potenzial zur Marktentwicklung haben, weit in den Playoffs vorrücken: Eine derartige Konstellation mit den Playoff-Halbfinals ist ein Fest fürs Marketing der NHL.

Kampf um die Marktanteile mit der NBA

Alle Jahre wieder im Mai und Juni entsteht im US-Sport ein Kampf um Marktanteile zwischen der NHL und der NBA. In der Regel mit klaren Vorteilen für die NBA, weil Basketball in den USA in praktisch allen Bundesstaaten und somit allen Märkten populär ist. Und auch heuer wieder haben die NBA bezüglich Aufmerksamkeit vorgelegt. In den aktuellen Playoff-Finals treffen die Seriensieger Golden State Warriors aus der Bay Area auf die Boston Celtics – eines der traditionsreichsten Teams der NBA aus einem grossen Markt. Diese Cross-Country-Auseinandersetzung sorgt für viel Publicity und Begeisterung. Da braucht es von Seiten der NHL doch schon auch eine Menge, um im Storytelling dagegen anzukommen. Dies ist aktuell gewährleistet, denn es gab und gibt Anlass für…

...Storytelling und für personifizierte Duelle zuhauf

Connor McDavid gegen Mathan MacKinnon, die Rangers-„Kids Line“ gegen die „Threepeat“-Anwärter und erfahrenen Playoff-Maschinen der Bolts. Das sind tolle Geschichten mit viel Storytelling-Potenzial. Und: Für einen wie Connor McDavid ist die Gelegenheit optimal, sich den US-Sportfans auf ganz grosser Bühne zu zeigen. Denn, machen wir uns nichts vor: Ausserhalb Kanadas und der NHL- beziehungsweise Eishockey-Community kennt man den wohl besten Einzelspieler der Welt nicht wirklich. Speziell in den USA nicht.

„O' Canada“: Von wegen „Never mind the Markets“...

Ein weiterer Aspekt, welcher der Vermarktungsindustrie und speziell dem kanadischen Markt behagt: Für eine optimale Vermarktung und Dramaturgie braucht es zumindest ein im Mutterland dieses Sports beheimatetes Team, welches weit in den Playoffs vorstösst. Dieses Jahr sind es die Edmonton Oilers, welche die Rolle des Team Canada übernehmen. Das ist wichtig für die Gesamtvermarktung der Liga, aber vor allem wird auch im „True North“ dank der Teilerfolge eines kanadischen Teams die Wertschöpfungskette verlängert und sehr viel mehr umgesetzt. Ausserdem typisch: In Kanada geniessen die Oilers in ganz Kanada die Sympathien – sogar bei den Fans des Erzrivalen Calgary Flames. In den USA nimmt das Publikumsinteresse und die Unterstützung rapide ab, sobald das Team aus dem eigenen Bundesstaat nicht mehr dabei ist.

West Side Story

Die Playoffs in der Eastern Conference geniessen seit jeher eine etwas höhere Aufmerksamkeit, da im Eishockey-Kernland mehr Traditionsclubs beheimatet sind als in der Western Conference. Zudem finden die meisten Spiele wegen der Zeitumstellung für die NHL-Fans im Osten sehr spät statt. Dieses Jahr ist es Erstens anderes (man hat die Western Conference Finals jeweils schon um 20:00 Uhr Eastern Time angesetzt) und Zweitens treffen zwei offensive Mannschaften mit einer attraktiven Spielanlage und einer grossen Fanbasis aufeinander. Die West Side Story ist zudem ein Duell Nord gegen Süd.

„It's up to you New York...“

Dass nun ausgerechnet die Blueshirts aus New York Manhattan die Sportfans in New York City in einen Freudentaumel versetzen passt ebenfalls ins positive Gesamtbild der nationalen, aber vor allem der lokalen Vermarktung: Die NFL-Teams Giant und Jets sind noch in der Saisonvorbereitung und zudem gerade sportlich nicht erfolgreich. Die Knicks haben die NBA-Playoffs verpasst und die Yankees und Mets haben die lange MLB-Saison soeben erst begonnen. Das sind die idealen Voraussetzungen für die Rangers, um die Aufmerksamkeit der sportbegeisterten Bevölkerung ganz auf sich zu lenken und mit den positiven Playoff-Gemeinschaftserlebnissen noch mehr Sympathien zu generieren. Und es geht im effizientesten Wertschöpfungsmarkt der USA auch um Marktanteile im Vergleich zu den anderen populären Mannschaftssportarten. Hier haben die Rangers ligaweit zwar einen ausgezeichneten Stand (zusammen mit Montréal und Toronto gehören die NYR zu den betriebswirtschaftlich drei wertvollsten Clubs der NHL) – aber im Direktvergleich zu den NBA-, NFL- und MLB-Teams der New Yorker Metropolitanregion besteht nach wie vor ein harter Konkurrenzkampf in der Aufmerksamkeitsgunst und Wertschöpfungskette. Trotz einer sehr treuen und grossen Fanbasis. Nun aber schnuppert man wieder kräftig am grossen Vermarktungstopf und ein Stanley-Cup-Triumph – der letzte datiert aus dem Jahre 1994 – würde die Blueshirts endgültig zu den Lieblingen der Stadt machen. Ganz nach dem Motto: „If You Can Make it Here, You Can Make it Anywhere" frei nach Frank Sinatras weltberühmten Song.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.