NHL Observer

Bei der Beurteilung, ob die Team-Hierarchien optimal oder suboptimal sind, werden das Teambuilding und die Balance des Kaders (Kaderstruktur) im sportlichen Aspekt, die „Teamchemie“ im zwischenmenschlichen Sinne und die Existenz der Führungsspieler sowie „Mentoren“ innerhalb der Mannschaften genannt. Genauso wichtig für eine gesunde Teamchemie sind aber auch die Salärstrukturen innerhalb der jeweiligen NHL-Kader.

Ein General Manager beziehungsweise Sportvorstand muss bei einem mittelfristigen Aufbau einer Kaderstruktur viele Aspekte berücksichtigen. Natürlich geht es in erster Linie in enger Zusammenarbeit mit dem Trainerteam und zum Teil – wenn es ums liebe Geld geht – in Absprache mit dem CEO und Inhaber um die Zusammenstellung des Kaders. Hierbei wird von Aussenstehenden das Hauptaugenmerk jeweils meist auf den sportlichen Aspekt gelegt. Was aber eben auch nicht zu unterschätzen ist: Wie wichtig ist die Gehaltsstruktur innerhalb der Mannschaft? Es stellen sich folgende Fragen: Wie widerspiegelt sich der Lohn eines MVP, eines Leistungsträgers, Schlüsselspielers oder gar derjenige von einem „Franchise Player“ im Verhältnis zum Salär der übrigen Mitspieler? Passt es in den Verhältnismässigkeiten? Verbaut man sich bei zu hohen Löhnen für die Topstars in gewissem Masse eine ausbalancierte Kaderplanung? Kann ein überproportionaler Anteil am gesamten Gehaltsvolumen Unfrieden stiften? Welche taktischen Überlegungen im sportlichen wie auch im strategisch-betriebswirtschaftlichen Bereich spielen eine Rolle? Und wie viel Gewicht haben dabei Image-, Marketing- und Merchandising-Aspekte?

Die „Franchise Player“ räumen ab...

Solche und noch einige Gedanken mehr werden im Rahmen der Lohnhierarchien in Betracht gezogen. So ist es nicht verwunderlich, dass in einigen Teams erfahrene Leistungsträger, die auch teamintern in der Hierarchie oben stehen, eine Lobby haben und als Schlüsselspieler definiert wurden, auch über ihren Lohn in die Verantwortung genommen werden. Oft sieht man diese Gehaltshierarchie in Teams, die rund um ihre „Franchise Player“ einen Wiederaufbau betreiben und mehrheitlich junge aufstrebende Spieler mit guten Rollenspielern den Kader komplettieren. Beispiele hierfür gibt es aktuell einige. Die Chicago Blackhawks beispielsweise, die rund um das Duo Jon Toews und Patrick Kane seit Jahren das Team aufbauen. Beide verdienen seit 2014 über 10 Millionen (Cap Hit), was satte 25 Prozent des Gesamtvolumens (gerundet) der Gehaltsobergrenze ausmacht. Der Nebeneffekt war: Fast jedes Jahr, speziell nach den Stanley Cup-Erfolgen, musste man aufgrund des Salary Cap gute Spieler ziehen lassen. Und aktuell sind sie nach wie vor das Duo, um welches sich der Wiederaufbau dreht.

Auch in Toronto bei den Maple Leafs und bei den Edmonton Oilers ist Ähnliches zu beobachten: In Edmonton zeigt sich fast die gleiche Ausgangslage wie in Chicago – jedoch mit zwei „Franchise Player“ der jüngeren Generation. Connor McDavid verdient jährlich 12,5 Millionen und Leon Draisaitl 8,5 Millionen (beide bis 2025). Noch ausgeprägter ist die Lohnhierarchie bei den Leafs. In Toronto holen sich Auston Matthews, Mitchell Marner und John Tavares kombiniert rund 33 Millionen Dollar pro Saison ab! Das sind bei einem Cap-Hit von gegenwärtig 82 Millionen bei den Leafs erstaunliche 40 Prozent. Wenn man bedenkt, dass die Verträge der drei Superstars bis 2024 laufen und einige gute Spieler in den nächsten Jahren eine Vertragsverlängerung auszuhandeln haben, so muss GM Kyle Dubas in den kommenden Saisons genau rechnen und taktisch planen.

Vierer- bis Fünfergruppen als Grossverdiener

Etwas ausgewogener sieht es bei den Canadiens de Montréal aus. Wenngleich auch hier einige Spieler das Gros des Gesamtgehaltes im Team aufteilen: Carey Price ist der ausgemachte „Franchise Player“ mit 10,5 Millionen pro Saison (bis 2025). Es folgen in der internen Hitparade Shea Weber mit 7,8 Millionen und Brendan Gallagher (6,5 Millionen ab 2021), gefolgt von einigen Spielern mit 5,5 Millionen (Jeff Petry, Josh Anderson und Jonathan Drouin) – sie allesamt mit langfristigen Verträgen ausgestattet. Die Gehaltsstruktur wird jedoch dann ein Problem werden, wenn die beiden Jungstars Jesperi Kotkaniemi (RFA ab 2021) und Nick Suzuki (RFA ab 2022) sich weiterhin so gut entwickeln und bei der nächsten Vertragsverhandlung auf dem freien Markt sicherlich mindestens vier bis fünf Millionen wert sein werden. Auch bei den New York Rangers zeigt sich dieses Bild: Artemi Panarin (11,6 Mio.) und Jacob Trouba (8 Mio.) sind die Topverdiener, gefolgt von Chris Kreider (6,5 Mio.) und Mika Zibanejad (5,35 Mio.).

Flachere Gehaltshierarchien bei Clubs in der Konsolidierungsphase

Äusserst ausgeglichen ist die Struktur bei den Carolina Hurricanes. Dies, obwohl vor einem Jahr die Montreal Canadiens eine „Hostile Offer“ für Stürmer Sebastiasn Aho platzierten und somit verursachten, dass sein Lohn beim Konter der „Canes“ bis auf 8,45 Millionen in die Höhe schnellte (bis 2025). Der Finne ist der einzige wirkliche Grossverdiener (für NHL-Verhältnisse). Das ist sinnbildlich für eine Mannschaft, die sich bis vor Kurzem noch im Neuaufbau befand und nun in eine sportliche Konsolidierungsphase geht. Ebenso ausbalanciert ist die Gehaltsstruktur bei den Calgary Flames. Auch für sie gilt: In der Konsolidierungsphase wird nicht nur der Kader so ausgeglichen wie möglich strukturiert, sondern auch die Lohnverhältnisse dementsprechend angepasst. Mat Tkachuk, Sean Monahan, Johnny Gaudreau und Mark Giordano verdienen alle um die 7 Millionen jährlich und Jacob Markström deren 6 Millionen. Fast alle anderen Stammkräfte in den Mannschaftsteilen haben ein relativ vernünftig abgestuftes Einkommen (zum Beispiel Mikael Backlund mit 5,35 Mio. und Noah Hanifin mit 4,95 Mio.). Die Fallhöhe bei den Gehältern ist im Vergleich zu vielen anderen Teams gering.

In Pittsburgh ist zwar Evgeni Malkin mit 9,5 Millionen der Spitzenverdiener, aber sein Vertrag läuft 2022 aus. Es sieht danach aus, also ob dann seine Zeit bei den „Pens“ vorbei sein wird. Sidney Crosbys Vertrag jedoch läuft noch bis 2025. Ein klares Zeichen, wer als Mentor und Führungsspieler bei den Penguins das Sagen wirklich hat. Dotiert ist der Vertrag mit 8,7 Millionen. Mit Kris Letang (7,25 Mio.), Jake Guentzel (6 Mio.) und Jason Zucker (5,5 Mio.) gehören im weitesten Sinne „nur“ noch drei weitere Mitspieler zu den absoluten Grossverdienern.

„Role Model“ Tampa Bay Lightning – auch bei der teaminternen Lohnstruktur

Und was ist mit dem Stanley Cup-Sieger Tampa Bay? Bei den Lightning zeigt sich nicht nur in im sportlichen Bereich der Erfolg mittels einer guten Balance innerhalb der Mannschaft. General Manager Julien Brisebois hat das Prinzip von Steve Yzerman übernommen und eine Ausgeglichenheit in allen Belangen erzeugt. Nikita Kucherov und Steven Stamkos, Victor Hedman, Ryan McDonagh und Andrej Vaslevsky sowie Brayden Point sind die Grossverdiener. Danach folgen mit nicht allzu grossem Abstand, aber dennoch in der zweiten Garde bezüglich Verdienst einige in einer ähnlichen Gehaltsklasse (Ondrej Palat, Yanni Gourde, Alex Killorn, Tyler Johnson, Mikhail Sergachev...). Auffällig: Kaum einer im Kader ist für NHL-Verhältnisse ein „Geringverdiener“, abgesehen mal von Luke Schenn (800'000) und erstaunlicherweise der überaus wertvolle Rollenspieler Pat Maroon (900'000), der immerhin in zwei aufeinanderfolgenden Jahren bei zwei verschiedenen Teams (St.Louis und Tampa) den Stanley Cup gewann. Und dies nicht nur als Mitläufer, sondern durch einen starken Impact. Er wollte aber bei den „Bolts“ bleiben und fand mit dem Club, der vor der Einigung nur noch eine „Cap Space“ von 2,8 Millionen hatte und dem noch einige Verhandlungen mit Komplemantärspielern bevorstehen, einen aussagekräftigen Kompromiss.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch beim Slapshot sowie beim Top Hockey und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.