NHL Observer

Der Super Bowl 2024 wirft seinen langen Schatten auf die gesamte US-Sportszene – bald ist es aber „überstanden“.

Für NHL-Teams in den klassischen NFL-Märkten ist die Zeit der Football-Playoffs bezüglich Aufmerksamkeitsvolumen ziemlich hart. Jetzt – vor dem Superbowl nächste Sonntagnacht - ganz besonders. Und mit den San Francisco 49ers und den Kansas City Chiefs stehen zudem noch zwei über ihre geostrategische Kernregion sehr populäre Traditionsteams im Finalspiel. Aber bald ist es „überstanden“, denn für manche NHL-Kernmärkte ist aber die Zeit nach dem Superbowl der Beginn eines neuen Aufmerksamkeitszuspruchs bei Fans und Medien.

Der Superbowl Event 2024 in Las Vegas wird wohl alle Rekorde brechen: Über 113 Millionen waren 2023 live dabei, davon zirka 40 Millionen ausserhalb der USA. Beim NHL-All-Star-Weekend eine Woche vor dem Superbowl waren es knapp 1,5 Millionen. Die NFL hatte schon immer eine Vormachtstellung in der Aufmerksamkeit der US-Sportöffentlichkeit. Und heuer noch mehr denn je – Taylor Swift und Travis Kelce sei Dank. Aber eben nicht nur ihretwegen…

NHL vergrössert ihre Audience um 12 Prozent

Zuerst die gute Nachricht. Die NHL konnte bezüglich Reichweite und Ratings (alle Kanäle) im Vergleich zur Saison 2022/23 im US-Markt zirka 12 Prozent zulegen (Vergleichsmarke: Januar 2023). In Kanada ist das Publikumsinteresse wie immer stabil und hoch. Auch gibt es vermarktungstechnisch Hoffnung für das All Star-Weekendformat: Bereits 2023 konnte man hierfür – eigentlich eine reine PR-Veranstaltung der Liga und derer Sponsoren - in den USA eine Vergrösserung der Audience zu 2022 feststellen: Knappe 1,5 Millionen waren zu Peak-Zeiten über die drei Tage live dabei, während man noch 2022 ein Rekordtief von knapp 1,1 Millionen verzeichnete. Dies hat mit dem leicht angepassten Format zu tun und der Beliebtheit der Skill Competitions. Besonders das All Star-Game war ja in den letzten Jahren an Langeweile kaum mehr zu übertreffen.

NFL überstrahlt alles betreffend Reichweite – nicht nur wegen der „Swifties“

Im Vergleich jedoch zu den Grossereignissen der NFL, namentlich dem Superbowl-Spiel und alles, was sich noch im Umfeld dessen tut, sind diese Zahlen aus der Sicht der Vermarkter fast ein Witz. Kommt noch dazu, dass in diesem Jahr ein besonderer Faktor hinzukam, der die Popularität der NFL multiplizierte und sogar eine ganz neue Zielgruppe erreichte – nämlich eine, die sich bisher kaum für NFL interessierte. Aus dem Segment der Generationen „Alpha“ und „GenZ“ wurden junge, speziell auch weibliche Popstar-Fans zu NFL-Followerinnen. Taylor Swift heisst die Multiplikatorin. Sie hat die Aufmerksamkeit mit ihren 534 Millionen Followers auf die NFL gelenkt und einige Millionen NFL-Fans folgen ihr jetzt auch, obwohl sie keine Fans ihrer Musik sind. Umgekehrt hat auch Travis Kelce mehr als drei Millionen Follower/innen mehr aufzuweisen, die nachweislich aus dem Team Swift kommen. Auch die NFL hat profitiert und seine Reichweite auf den sozialen Medien auf 160 Millionen geschraubt. Und man rechnet, dass der „Swift Hype“ einen Reichweitenwert über alle Interessengruppen hinweg von fast 19 Milliarden erreichen könnte. Auf die Teams heruntergebrochen ist festzustellen, dass besonders die „Swifties“ beim Superbowl dem Titelverteidiger und Finalist 2024 – den Kansas City Chiefs – wegen der Liaison mit Travis Kelce einen starken Zuwachs bewirkten. Die Chiefs führen nunmehr zusammen mit den Dallas Cowboys, Philadeplhia Eagles und Pittsburgh Steelers die Rangliste der meisten Follower auf Social Media an.

Kein Influencer-Boost in Sicht in der NHL

So einen ähnlichen Influencing-Boost gibt es in der NHL nicht. Vergleichbar mit den Möglichkeiten der Jahrhundertwende war der Tennisstar Anna Kournikova einst ein Mini-Boost für die Liga, als sie mit Sergei Fedorov und Pavel Bure jeweils eine Liaison einging. In den letzten Jahren outeten sich Snoop Dogg, Ryan Reynolds, Will Ferrell, Justin Bieber, Mike Myers, Shaq O'Neill, Drake, Margot Robbie, Billy Joel, Zac Efron, Channing Tatum, Macklemore, Jake Gyllenhaal, Shania Twain, Céline Dion oder Kanadas Premier Justin Trudeau als Anhänger. Auch Taylor Swift liess sich hin und wieder, wie Trudeau, Twain, Dion, Gyllenhall und weitere in einem „Habs“-Trikot blicken oder trat an einem Konzert damit auf. Aber diese kurzzeitige Aufmerksamkeit ist weder in der Wirkung noch in der Reichweite zu vergleichen mit dem aktuellen, monatelangen Hype um Swift und Kelce in der NFL.

Die sportartenübergreifend ansteckende Sportbegeisterung

Doch wie beeinflusst der Superbowl in den NFL-Märkten aus rein sportlicher Sicht die Synergie zwischen den grossen Mannschaftssportarten? Nicht ganz uneigensinnig fiebert man gewissen NHL-Märkten dem NFL-Saisonende zu, denn die NFL-Playoffs und der lange Schatten des Superbowls lenkten immerhin die Aufmerksamkeit sehr stark von der eigenen ab. Immerhin stehen 2024 – im Gegensatz zu anderen Jahren – mit den Chiefs und 49ers zwei Teams im Finale, die keine NHL-Mannschaften in ihrer Stadt beherbergen. Geografisch gesehen sind die St. Louis Blues das Team in unmittelbarer Nähe (drei Autostunden entfernt). In der Bay Area jedoch sind die San Jose Sharks nur eine Autostunde von San Francisco entfernt. Tatsache ist: Andere Zahlen aus der jüngeren Vergangenheit beweisen, dass in einigen NHL-Märkten die Medienaufmerksamkeit für den Eishockeysport um das Doppelte stieg, sobald der Superbowl die Berichterstattungen nicht mehr dominierte. Je nachdem, wie erfolgreich das NHL-Team der Stadt oder des Einzugsgebietes in der respektiven Saison agierte und je nachdem wie populär die NHL in den Regionen ist.

Ein Beispiel aus dem Jahre 2016 fällt hierbei auf: Die Colorado Avalanche bekamen nach dem Super Bowl-Triumph der Denver Broncos nicht nur eine grössere Aufmerksamkeit bei den Sportfans und mehr Präsenz in den Medien, es entwickelte sich auch atmosphärisch eine Steigerung der Sportbegeisterung in Denver und im Staat Colorado. Der Vorteil hierbei war, dass die grossen Major-Sports-Mannschaften in der Stadt Denver beheimatet sind. Wenn es den Colorado Avalanche sportlich einigermassen gut läuft und man nach dem Super-Bowl-Weekend noch im Rennen um die Playoff-Plätze ist, kann man im Pepsi Center häufiger ausverkauft melden als vor und während der NFL-Saison oder gar den Playoffs. Die Medienanalytiker/Innen in Nordamerika bestätigen diesen Umstand der sportartenübergreifenden ansteckenden Sportbegeisterung. Ein anderer Umstand ist noch zu beachten: Noch können die NHL- und NBA-Teams viel Aufmerksamkeit generieren und profitieren, bis Ende März dann wieder die Saison in der Major League Baseball startet und sich das Interesse der Sport-Community auf weitere populäre Sportteams verteilt.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.