Eine Situation zeigt deutlich, warum in Montreal die NHL-Uhren etwas anders ticken als woanders: Josh Anderson hatte es in seinem 30. Saisonspiel endlich geschafft, einen Keeper zu bezwingen - und das gleich zwei Mal. Die Fans haben ihn mit Standing Ovation gefeiert und gewürdigt, dass er niemals aufgeben hatte und sich Chance um Chance erarbeitete. Honoriert wurde sein Einsatz, seine Resilienz und sein unerschütterlicher Glaube, dass nach den vielen Latten- und Pfostentreffern die Hockeygötter doch auch mal Erbarmen haben werden mit ihm. Schliesslich erzielte er schon regelmässig mehr als 20 Saisontreffer und war ein 30+- oder auch 40+-Skorer.
Und nun ist die Büchse der Pandora geöffnet worden. Er hat im Monat Dezember mehrmals getroffen und viele Skorerpunkte gesammelt. Man weiss ja, dass bei Stürmern oftmals die Torerfolge in Sequenzen kommen. Josh Anderson erzielte innerhalb weniger Minuten gegen die Islanders zwei Tore – seine ersten gegen einen Goalie. Das einzige Tor bisher in dieser Saison war ein Empty-Net-Treffer. Nach dem Spiel hatte er Tränen in den Augen und bedankte sich bei „den besten Fans der Welt“. Und auch bei den Medien, dass diese ihn während der torlosen Zeit fair beurteilt haben. So ist sie halt, die „Habs“-Community, denn Montreal tickt anders.
Einzigartige Community
Die Fangemeinschaft in Montreal ist einzigartig: Sehr fachkundig und begeisterungsfähig, aber auch kritisch und anspruchsvoll – dies erzeugt Erwartungsdruck. Wenn man im Dress der Canadiens de Montréal aufläuft, weiss jeder Spieler, was ihn erwartet. So werden jene Spieler gefeiert, die eine gewisse Spielintelligenz besitzen und „ihr Herz auf dem Eis lassen“, wie das P.K. Subban bei seiner Rede anlässlich einer Würdigung seiner Karriere im Januar 2023 im Centre Bell betonte. Und im Centre Bell applaudiert und feiert man auch das Verhalten der Spieler in Spielsituationen, in welchen eben Spielintelligenz und Einsatz gefordert sind, wie beispielsweise ein gelungenes Backchecking oder intelligentes Verhalten in Unterzahlsituationen. Ein Beispiel von vielen: In der Partie gegen die Nashville Predators verlor Goalie Samuel Montembeault seinen Stock und dieser wurde bis zur Bande wegspediert. Zeitgleich setzten sich die gegnerischen Spieler in deren Offensivzone fest. Als die „Habs“-Spieler sich aus der eigenen Zone befreiten, konnte David Savard seinem Keeper der Stock zurückbringen. Diese Szene wurde von den Fans gefeiert wie ein Tor.
Montreals Fangemeinde, welche während zehn Monaten (inklusive Saisonvorbereitung) rund um die Uhr durch die Omnipräsenz der Medien und des Vermarktungsapparates mit Eishockey-Berichterstattung berieselt wird, ist einzigartig: „Tradition und Identifikation meets Begeisterung und Fachkenntnis“ in der Heimat des Eishockeys (erstes Eishockeyspiel in einer Halle 1875 im Victoria Skating Rink in Montreal) und bei den Fans des noch immer erfolgreichsten (24 Stanley Cups) und ältesten NHL-Clubs (seit 1909).