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Jonathan Marchessault auf den Spuren von Martin St. Louis und Wayne Gretzky: Der Playoff-MVP und somit Gewinner der Conn Smythe Trophy 2023 geniesst bei den Mitspielern, bei Gegnern und in der gesamten Fachwelt höchste Sympathien. Alle mochten ihm den Stanley-Cup-Erfolg und die Einzelauszeichnung gönnen. Und das hat nicht nur mit seiner sportlichen Leistung zu tun.

Wenn vermeintliche Underdogs und Verschmähte es „allen anderen mal so richtig zeigen“ ist ihnen die Sympathie in der gesamten Community gewiss. So ist es auch bei Sportlerinnen und Sportlern, die ursprünglich mal „gewogen und für zu leicht befunden“ wurden. Jonathan Marchessault war so einer, den man zunächst verschmähte - und zwar in vielerlei Hinsicht.

Resilienz wird belohnt!

Erstens wurde der nicht einmal 1,80 Meter (1,75 Meter) „grosse“ Jonathan Marchessault bei den Drafts in den 2010er-Jahren nicht berücksichtigt. Besonders seine Körpergrösse wurde als nicht NHL-tauglich erachtet. So kämpfte er sich über die QMJHL (Québec Remparts) und sechs langen Saisons in der AHL (Connecticut, Springfield, Syracuse) in die NHL. So wie einst Martin St. Louis überzeugte er mit viel Durchhaltewillen und läuferisch-spielerischen Eigenschaften zunächst in Tampa 2015/16 und danach in Florida 2016/17, wo er 51 Skorerpunkte sammelte und sich so in der NHL etablierte. Ja, ausgerechnet die Panthers waren es damals, die ihren späteren Stanley-Cup-Final-Bezwinger 2017 nicht protegierten, als der Expansion Draft mit den Las Vegas Golden Knights anstand. Vegas' damaliger GM George McPhee ergriff die Gelegenheit und holte sich den mittlerweile vierfachen Familienvater ins Team. Dies erwies sich als Homerun sondergleichen: Der jetzt 32-Jährige aus Cap Rouge aus der Belle Provence (Bezeichnung für die Provinz Québec) ist nämlich nicht nur eishockeytechnisch ein Vorbild und Teamplayer, sondern gefällt auch mit seiner Persönlichkeit. In den folgenden Jahren etablierte er sich als einer der besten Skorer der Knights und zeigte Leadership-Qualitäten. Zudem hat er teamintern auch ein hohes Ansehen, weil er einer der „Original Six“ der Franchise ist. Wenn ein aktueller NHL-Star als Beispiel für Resilienz herhalten darf, dann mit Sicherheit Jonathan Marchessault.

Der Stolz der Belle Province

Dass ausgerechnet „JAM“ (einer seiner Nicknames) zum Conn-Smythe-Sieger 2023 wird, übrigens als erster ungedrafteter Spieler seit Wayne Gretzky (1988), konnte man nach der ersten Playoff-Runde nicht absehen. Sein Start in die Playoffs verlief harzig und er skorte erst ab der zweiten Runde regelmässig. Dann aber auch in entscheidenden Momenten. Drei seiner 12 Tore (25 Playoff-Punkte insgesamt) erzielte er in spielentscheidenden Momenten und viele Tore und Assists haben das Momentum in wichtigen Partien beeinflusst. Auch seine Spielweise und Hartnäckigkeit im Zweikampf ging den Gegnern unter die Haut.

Ein weiterer Fun Fact: Obwohl in den letzten 30 Jahren kein in Kanada stationiertes Team den Stanley Cup gewann, so waren es doch meistens Kanadier (elf Mal in den letzten 20 Jahren), die sich als Sieger der Conn Smythe Trophy krönen lassen durften. Mit Jon Marchessault ist erneut ein Kanadier Playoff-MVP und zwar erstmals seit 2003 (Jean-Sébastien Giguère) wieder einer aus der eishockeyverrückten Provinz Québec, die vor 2003 regelmässig die Conn-Smythe-Sieger stellten. Auch so schliesst sich wieder der Kreis.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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