NHL Observer

In unserem NHL Observer-Blog „Das Phoenix Prinzip“ (den Blog findest du hier) sprachen wir über die vielen NHL-Clubs, die sich gegenwärtig im Zuge eines Rebuildings einem Paradigmenwechsel, Strukturwandel und Neuaufbau unterziehen. Die Clubs, die 2022/23 diesen grossen Schritt machen, können sich dabei von Erfolgsgeschichten aus der nahen Vergangenheit inspirieren lassen:

Vorbild Eins: „The Letter“

Am 8. Februar 2018 publizierten Glen Sather und Jeff Gorton einen offenen Brief an die Fangemeinschaft, Sponsoren und Supporter. Ein mutiger und ungewöhnlicher Schritt. Denn der Inhalt war brisant und offenbarte, wie kompromisslos der Club in den folgenden Jahren umgebaut werden sollte.

Die New York Rangers haben vor vier Jahren die Initialzündung betätigt und gezeigt, wie man antizipierend eine Mannschaft für die Zukunft umbaut. Das brauchte – speziell, wenn man den Zeitpunkt er Strategie-Entscheidung berücksichtigt - Mut und Weitsicht. Es wurde zu einem Vorbild für andere, die ein so genanntes Rebuilding ebenfalls dringend nötig haben, aber noch mit nachhaltigen und drastischen Massnahmen zögerten.

Bereits vor dem Draft 2020, als man Alexis Lafranière als Overall-Nummer-Eins wählte, zeichneten sich erste Erfolge ab. Kaapo Kakko wurde bereits 2019 gedraftet und es wurden fast ausschliesslich sehr gute Transfers getätigt: Einige altgediente Spieler wurden gehalten, andere verliessen das Team (McDonagh) und Jeff Gorton gelangen zahlreiche Trades, die dem Wiederaufbau zugutegekommen sind. Der Trade von Rick Nash half, K’Andre Miller und Ryan Lindgren zu gewinnen. Artemi Panarin wurde gewissermassen zum Gesicht des Umbaus und der Top Coup war die Verpflichtung des nachmaligen Norris-Trophy-Siegers Adam Fox, der eigentlich von den Calgary Flames 2016 gedraftet wurde. Es gab noch weitere weitsichtige Trades wie der Tausch Ryan Spooner gegen Ryan Strome und die Verpflichtung von Offensivverteidiger Jacob Trouba. Bei den Keepern baute man zunächst auf Aleksandar Georgiev und später auf Igor Shesterkin, wohl wissend, dass die Karriere von Henrik Lundqvist sich dem Ende neigen wird.

Beim Aufbau einer Erfolgskultur ist auch Stabilität im Front Office entscheidend. Bei den Rangers war GM Jeff Gorton für den Umbau verantwortlich. Er hatte bereits eine Erfolgsgeschichte geschrieben, als er 2011 eine wichtige Figur hinter den Kulissen beim Stanley-Cup-Sieg 2011 bei den Boston Bruins wurde. Auch da vollzog er auf einigen neuralgischen Positionen entscheidende und mutige Transfers.

Vorbild 2: Die Puzzlemeister

Nach der Lemieux-Ära in den frühen Neunzigern versanken die Penguins um die Jahrhundertwende zeitweise in eine sportliche Talsohle. Bis 2005 Sidney Crosby gedraftet wurde. Verstärkt wurde das Team danach noch durch Sergei Gonchar, John LeClair und Žigmund Pálffy, die als Free Agents unterschrieben. Jocelyn Thibault wurde als Keeper verpflichtet. Obwohl die Pens unter Michel Therrien 2006 die Playoffs klar verpassten, konnte Sidney Crosby in seiner Debütsaison sofort mit 102 Punkten überzeugen. In der Folgesaison löste Ray Shero als GM Craig Patrick ab. Im NHL-Entry-Draft 2006 durfte Shero als Nummer Zwei ziehen: Er entschied sich für Jordan Staal – ein nächster Glücksgriff und ein weiteres Puzzlestück für den späteren Stanley-Cup-Sieg 2009. Evgeni Malkin, den man 2004 an zweiter Stelle gedraftet hatte, stiess danach auch zum Team. Zusammen mit Marc-André Fleury bildeten diese Spieler das Rückgrat der Erfolgstruppe von 2008 (Stanley-Cup-Finalteilnahme) und 2009 (Stanley-Cup-Sieg).

Vorbild 3: Die Draft-Sieger

Bei den Hawks begann der Neuaufbau 2005/06. Der neue General Manager Dale Tallon verpflichtete mit Torwart Nikolai Khabibulin und All-Star Verteidiger Adrian Aucoin zwei Spieler, die für mehr Stabilität in der Defensive sorgen sollten. Noch stellte sich der Erfolg nicht ein. Beim NHL-Entry-Draft 2006 wählte man aber an dritter Stelle Jonathan Toews und tätigte mit den Verpflichtungen von Martin Havlát, Michal Handzuš und Bryan Smolinski namhafte Transfers. Es brauchte aber noch immer etwas Geduld, bis sich der sportliche Erfolg einstellte. Beim NHL-Entry-Draft 2007 wurde Patrick Kane gewählt, der zusammen mit Toews zukünftig das Gesicht der Mannschaft werden sollte. In der Saison 2007/08 stellten sich erste Erfolge ein dank starker Leistungen durch Kane und Toews, welche jeweils für die Calder Memorial Trophy als bester Rookie in der NHL nominiert wurden. 2008 trieb man den Umbau der Mannschaft weiter voran und es wurden Torwart Cristobal Huet, Andrew Ladd und Brian Campbell verpflichtet. 2008/09 wurde zudem Cheftrainer Savard freigestellt und durch Joel Quenneville ersetzt. Man kam erstmals wieder weit in den Playoffs, bis in den Conference-Final gegen die Detroit Red Wings. Da wurde der Grundstein gelegt für die Stanley-Cup-Siege 2010, 2013 und 2015.

Vorbild 4: Kings of Hollywood

Die L.A. Kings hatten schon einmal am Stanley Cup gerochen. 1993 in der „Black & Silver Ära“, als eine Startruppe rund um Wayne Gretzky schliesslich an den Canadiens de Montréal scheiterte. Danach folgten viele mehr oder weniger passable Saisons mit einigen Achtungserfolgen, aber die grosse Euphorie der Neunzigerjahre war verflogen. Im Sommer 2011 wurden einige namhafte Transfers getätigt und 2012 konnte erstmals wieder seit 2001 in ein Conference-Halbfinale einziehen und danach sogar bis ins Stanley-Cup-Finale. Mit einem 4:2 in der Serie gegen die New Jersey Devils konnten sich die Kings erstmals den Stanley Cup sichern. Ein Schlüsselspieler war Torhüter Jonathan Quick (erhielt die Conn Smythe Trophy). Die Baumeister waren GM Dean Lombardi, welcher Drew Doughty, Jon Quick, Alec Martinez und weitere künftige Leistungsträger integrierte sowie die Veteranen Mike Richards und Jeff Carter verpflichtete sowie Chefcoach Darryl Sutter. Man blieb weiterhin erfolgreich. Auch in der durch den Lockout verkürzten Saison 2012/13, wo man in den Conference-Final vorstiess und dort dem späteren Stanley-Cup-Champion Chicago unterlag. Die Revanche erfolgte ein Jahr später im Western-Conference-Finale mit einem entscheidenden Tor von Verteidiger Alec Martinez in der Verlängerung von Spiel 7. Das Finale gewannen die Kings gegen die New York Rangers in fünf Partien. Justin Williams erhielt die Conn Smythe Trophy als wertvollster Akteur in den Playoffs.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

NHL Observer

Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.