NHL Observer

Ein Rückblick auf den NHL Draft 2022: Die Österreicher jubeln, die Schweizer sind ernüchtert. Das ist das NHL Draft-Fazit für 2022. Mit Marco Kasper wurde eine österreichische Eishockeyhoffnung in der ersten Runde gedraftet und kurz danach folgte in der dritten Runde Vinzenz Rohrer. Nicht zufrieden waren die Schweizer Fachleute mit dem Draft 2022. Nur Lian Bichsel wurde berücksichtigt. Immerhin aber in der ersten Runde.

Nur ein Schweizer wurde im NHL Draft 2022 gezogen. Das ist für die erfolgsverwöhnte und stolze Eishockeynation Schweiz eine Ernüchterung. Und bestätigt eine gewisse Tendenz der letzten Saisons, als nach den fetten Draftjahren eher ernüchternde Jahre folgten. Genau umgekehrt verläuft die Tendenz bei den Österreichern.

Der Trend als mittelmässiges Zeugnis für die Schweiz?

Das Schweizer Eishockey wird seit Jahrzehnten weltweit gerühmt für seine Nachwuchsarbeit. Dies widerspiegelt sich in den letzten rund fünf Jahren nicht mehr in den Draft-Resultaten. Die Schweiz schneidet im Vergleich mit den anderen grösseren Hockeyländern mit neun gedrafteten Spielern bei einer ähnlichen Anzahl Junioren weniger gut ab. Auch habe man seit einigen Jahren an den Junioren-Weltmeisterschaften nicht mehr so wie früher regelmässig Top-Resultate erreicht. Fachleute werten diese Anzeichen als klares Warnsignal.

Immerhin: Mit Lian Bichsel (an 18. Stelle gewählt) gab es, seit Nico Hischier 2017 als Nummer-Eins-Draftpick (overall) gewählt wurde, wieder einen Erstrunden-Draftpick. Die Dallas Stars haben sich ihren absoluten Wunschkandidaten gesichert.

Der Hoffnungsschimmer

Lian Bichsel ist immerhin ein weiterer Schweizer Erstrunden-Draftpick. Insgesamt waren es bisher deren zehn. Das Positive aus der Sicht von Lian Bichsel ist, dass er ein absoluter Wunschkandidat der Dallas Stars ist. Die Texaner sind aktuell in einem Umbruch was die Defensive betrifft. Joe McDonnell, der Rekrutierungsleiter der Stars, liess bei der Pressekonferenz nach dem Draft 2022 tief durchblicken: Ihn beeindrucke am 18-Jährigen seine Skating-Fähigkeiten, die für seine Grösse und physische Imposanz äusserst gut seien. Dass Lian Bichsel sich bereits im Erwachsenenhockey etablieren konnte, sei ebenfalls ein grosses Plus: "Er ist ein Typ, der die ganzen letzten Monate über ganz oben auf unserer Liste stand. Seine Grösse zeichnet ihn aus, das ist das erste, was man an ihm bemerkt. Aber er hat so viel mehr zu bieten.“ Und: Er habe eine gute Balance, müsse jedoch sein Offensivspiel verbessern. Im Vergleich zu den Gleichaltrigen sei er aber auch in diesem Bereich besser als die meisten anderen. Er sei ein harter Arbeiter und kenne den Weg, den man gehen muss, um in der NHL Fuss zu fassen.

Spannende Entwicklung in Österreich

Ganz spannend ist der Erstrunden-Draftpick der Detroit Red Wings. Sie haben sich für den österreichischen Center Marco Kasper entschieden. Das passt perfekt in die mittelfristige Strategie von GM Steve Yzerman, der kurz nach dem Draft mit Olli Maata, Ben Chiarot, Andrew Copp. David Perron und Dominik Kubalik auf dem Free Agent-Markt voll zugriff. Mittelfristig plant er sicherlich mit Dylan Larkin, Pius Suter und Michael Rasmussen und nun auch mit Marco Kasper auf der Centerposition. Dass er, wie auch Lian Bichsel, bereits im Erwachsenenhockey (Rögle/Schweden) Fuss fassen konnte, ist ein grosser Mehrwert.

Für das österreichische Eishockey lief der NHL Draft so oder so sehr gut. Denn auch Center Vinzenz Rohrer wurde in der 3. Runde an Position 75 von den Montréal Canadiens ausgewählt. Damit war er 2022 der zweite gedraftete Österreicher. Das ist erst zum fünften Mal passiert, dass in einem NHL Draft mehr als ein Österreicher gewählt wurde. Dies war zuvor der Fall in den Drafts 1999 (Andre Lakos & Gregor Baumgartner), 2001 (Oliver Setzinger & Bernd Bruckler), 2006 (Michael Grabner & Andreas Nodl) und 2020 (Marco Rossi, Thimo Nickl & Benjamin Baumgartner).

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.