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Welches waren eigentlich die wahren Hintergründe, die am Schluss für Juraj Slafkovsky als First Draftpick overall sprachen und weshalb bekam der Slowake den Vorzug vor Shane Wright? Der Prozess bei den Canadiens de Montréal dauerte Wochen bis man sich schliesslich für Juraj Slafkovsky als Nummer-Eins-Draftpick entschied. Wir haben diesen bereits Wochen zuvor und bis zum Schluss verfolgt und beobachtet.

Das Fazit dieses Artikels gleich mal vorneweg: Die mittelfristig ausgelegten strategischen Überlegungen und flankierenden Trades zweier General Manager mit fast gleicher Ausgangslage für den sportlichen Neuaufbau – Kent Hughes und Kyle Davidson - spielten eine entscheidende Rolle in ihren jeweiligen Draft-2022-Masterplänen. Beide sind erst seit einigen Monaten amtierende GM und zeigten bereits jetzt eine Kostprobe ihrer Fähigkeiten. Ihre Zusammenarbeit ermöglichte beiden im Rahmen der Drafts 2022 die Realisierung eines Masterplans.

Es lastet(e) grosser Druck auf den „Habs“

Montreal-GM Kent Hughes und sein Team haben ganze Arbeit geleistet. Sie standen unter sehr hohem Druck. Nicht nur, dass die Draftshow im heimischen Centre Bell stattfand, hatte es in sich. Auch die Tatsache, dass seit Jahren die Kritik im Umfeld der Canadiens de Montréal unüberhörbar war, weil man sich in den letzten Jahren allzu oft in der ersten Draftrunde vertan hatte. Zu viele Erstrunden-Draftpicks hätten die Erwartungen bei den „Habs“ nicht erfüllt. Selbst ein Jesperi Kotkaniemi – als junger Center trotz einiger Vorbehalte an sich ein guter Pick - ist nicht mehr bei den Canadiens unter Vertrag.

Hinter den Kulissen spielte die Musik

Nun hatte man gewissermassen die Qual der Wahl zwischen einigen guten Optionen, da es keinen haushohen Favoriten gab als First-Pick-Overall. Aber die „Habs“ haben möglicherweise aus einer guten Lösung eine strategische Meisterleistung gemacht. Seit Wochen schwankten die Prognosen zwischen Shane Wright - dem hochtalentierten Center – und Juraj Slafkovsky. Für den Slowaken sprach, dass er im Erwachsenenhockey bereits nationale und internationale Erfolge vorzuweisen hatte bei TPS Turku und im Nationalteam und womöglich schneller bereit sein könnte, um sich in der NHL zu etablieren. Hinzu kam, dass er zusammen mit Nick Suzuki und Cole Caufield eines der wohl dynamischsten jungen Trios bilden könnte. Dieser Aspekt ist bezüglich des sportlichen Neuaufbaus und auch für das Marketing nicht zu unterschätzen. Für Shane Wright sprach sein hohes Entwicklungspotenzial, die Spielintelligenz und dass er einer der sehr begehrten Centerspieler der neuen Generation ist.

GM-Handwerk für Profis: „Triple-Win-Win“-Situation

Aber dann kamen die letzten Trades der Canadiens ins Spiel: Mit Evgeni Dadonov und vor allem mit dem neuen Zweitlinien-Center Kirby Dach im Team, war die Besetzung der Centerposition nicht mehr so virulent wie zuvor. Dass Kirby Dach bei den „Habs“ landete, war eine Meisterleistung dreier General Manager mit einem Win-Win-Win-Faktor: Montréal erwarb Kirby Dach von Chicago, indem zuerst Alexander Romanov (ein Wunschkandidat der New York Islanders) und der 98. Draftpick im Austausch gegen den 13. Draftpick an die „Isles“ gingen. Die „Habs“ tauschten dann diesen Pick und ihren 66. Draftpick mit Chicago gegen Dach. Die Blackhawks ihrerseits wollten nach Kevin Korchinski unbedingt auch Frank Nazar draften, was sie schliesslich mit dem 13. Draftpick auch taten. So ist unter anderem auch der sportlich unmittelbar immens grosse Verlust von Alex DeBrincat mit Hinblick auf die Zukunft einigermassen zu verdauen.

Aus einer guten Lösung wurde ein Masterplan

Der Masterplan der Montréal Canadiens ging also nur auf, weil andere GMs mitspielten. Denn jetzt sieht dieser so aus: Mit Nick Suzuki und Kirby Dach hat man die designierten Center der ersten beiden Trios im Team. Auf den Flügelpositionen sind neu mit Evgeni Dadonov (für Shea Weber mit den Vegas Golden Knights getauscht) und Juraj Slafkovsky neue potenzielle Skorertypen im Team. Der Abgang von Montréals Zweitrunden-Draftpick 2018 Alexander Romanov schmerzt, aber man weiss um die Qualitäten der nachfolgenden jungen Verteidigergarde um Kayden Guhle, Jordan Harris, Kale Clague, Justin Barron und einigen mehr. Dank der flankierenden Massnahmen von GM Kent Hughes und seinem Team konnte man nun einige Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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