NHL Observer

Das Battle of Alberta: Nichts begeistert die NHL-Fangemeinde im Mutterland des Eishockeys so sehr, wie solche Playoff-Serien zwischen zwei Rivalen. Es ist das sechste Playoff-Duell mit dem bisher historisch klaren Vorteil für die Oilers (4:1-Siege). Aber nicht nur der sportliche Gehalt und die Emotionen sorgen für Begeisterung. Denn diese Playoff-Serie ist ein Geschenk für die Vermarkter in Kanada.

Aus kanadischer Sicht ist die Stanley-Cup-Serie zwischen den Calgary Flames und den Edmonton Oilers das grosse Highlight der zweiten Runde. Und dies nicht nur aus sportlicher Sicht und bezüglich der immensen Rivalität. Das „Battle of Alberta“ ist für die Vermarkter und Broadcaster und generell für die ganze Media-Branche und Wertschöpfungskette ein Geschenk. Jetzt sieht man, wie wichtig die Siege der Oilers und Flames in Spiel 7 der ersten Runde waren. Und besonders, warum ausgerechnet die Oilers Fans mitjubelten, als Johnny Gaudreau in der Overtime gegen die Dallas Stars skorte.

Wer wird Team Canada der Playoffs 2022?

Vor Playoff-Start stellte man sich die Frage: Wer wird diesmal Team Canada? 2021 waren es die Canadiens de Montréal und heuer sollten die Toronto Maple Leafs als in Kanada domizilierte Mannschaft das Mutterland des Eishockeys in den Stanley-Cup-Playoffs würdig vertreten. Es kam bekanntlich anders und nun fiebert das Land mit den Calgary Flames und Edmonton Oilers.

Mehrere Gründe sprechen dafür, dass dieses Zweitrundenduell viele TV-Ratings und sonstige Media-Rekorde brechen wird: Einerseits ist man froh, dass mindestens ein Team mit Standort Kanada im Halbfinale sein und die Hoffnung aufrecht erhalten sein wird, dass man erneut bis zum Schluss auf einen Stanley-Cup-Erfolg eines kanadischen Teams hin fiebern darf. Es wäre das Ende einer Durststrecke, die seit 1993 (Montréal) andauert mit seitdem vielen bitteren Finalniederlagen.

Wie schon zuvor in vergleichbaren Situationen werden in Kanada die Fans sich bedingungslos hinter dem Team aus Kanada stellen, welches am Schluss noch im Rennen um den Cup ist. Egal, ob nun in den US-Teams paradoxerweise viele Kanadier genau dies zu verhindern versuchen. Diese Ausgangslage alimentiert natürlich das Interesse und den Konsum der Stanley-Cup-Playoffs in Kanada noch mehr als eh schon - in jeder Hinsicht.

Vermarktungstechnisch ein Highlight

Der zweite Grund, warum das „Battle of Alberta“ ein „Geschenk“ ist für die NHL: Die Vermarktung erreicht einen Höhepunkt. Bereits werden im Bereich des Merchandisings aufgrund der bisherigen Verkäufe online und an den Points of Sale Rekordumsätze vermutet. Die Red Mile an der 17 Avenue SW in Calgary ist wie einst 2014 mit Zehntausenden gefüllt und in den Städten Calgary und Edmonton wird die gesamte Wertschöpfungskette mit allen, die durch die Stanley-Cup-Playoffs direkten oder indirekten Umsatz generieren, um ein Vielfaches erhöht. Aber nicht nur in Alberta, sondern erstaunlicherweise in ganz Kanada. Das ist dann eben der Unterschied zu den USA, wo lokal die Begeisterung für ein Team jeweils aufflackert und nicht landesweit.

Und natürlich ist es ein Geschenk für die Medien: Sowohl beim TV-Konsum wie auch im gesamten Media-Bereich. Die kurzfristigen Investitionen in lokalen und nationalen Media-Formaten wie TV- und Online-Werbung sowie weiteren Promotion-Marketingmassnahmen schnellten in die Höhe. Bereits beim Erstrundenduell zwischen den Flames und Stars verfolgten 1,2 Millionen Zuseher/innen die Partie 7 (im Schnitt waren es über alle sieben Spiele 1,01 Millionen – eine Steigerung von 99 Prozent). Dazu muss man wissen, dass die Spiele im Westen in der Regel weniger Zuseher/innen aus dem Osten haben aufgrund der Zeitumstellung. Dieser Zuschauerschnitt am TV wurde bereits in den ersten Partien übertroffen (Zahlen zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht publiziert). Interessant natürlich ist, dass das „Battle“ in den USA nur unter NHL-Freaks für Interesse sorgt, während in Kanada traditionell alle Duelle intensiv verfolgt werden. In Kanada schauen ausserdem viele die Spiele auf den lokalen Sportsendern wie RDS oder TSN.

Top Ratings und höhere Media-Ausgaben

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die erste Playoff-Runde 2022 für ESPN und Turner Sports bezüglich Ratings zu den erfolgreichsten seit Einführung des Kabelfernsehens gehörten. Die Spiele auf ESPN, ESPN2, TNT and TBS konnten im Schnitt 768'000 mobilisieren, was eine Steigerung um 59 Prozent bedeutet im Vergleich zu 2021 auf NBCSN, CNBC and USA Network. Im kanadischen Markt war die Steigerung zu 2021 wesentlich geringer, obwohl in Kanada noch die drastischen Zuschauerbeschränkungen in den Playoffs 2021 wirksam waren. Den Zuschauerrekord hielt in der ersten Runde Turner Sports mit dem siebten Spiel zwischen den New York Rangers und Pittsburgh Penguins (auf TBS am 15. Mai) mit 2.3 Millionen. Gefolgt von Spiel 7 zwischen den Tampa Bay Lightning und Toronto Maple Leafs auf TNT mit 1.7 Millionen. NHL Commissioner Gary Bettman, der jeweils die TV-Deals unter Dach und Fach bringt: „Die Erwartungen werden übertroffen. Die Walt Disney Company, ESPN, ABC, HULU, ESPN+, Turner haben tolle Plattformen und machen einen tollen Job in der Promotion. Und wenn man den Spielplan in Runde 2 ansieht, darf man nochmals viel erwarten."

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.