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Warum soll ausgerechnet Quereinsteiger Marty St. Louis den Kampfgeist im Team der Canadiens de Montréal wiederbeleben?

Die Überraschungsmeldungen in Montréal reissen nicht ab. Nun musste auch der Cheftrainer die Quittung zahlen für die vielleicht - im negativen Sinne - verrückteste Saison der Habs seit 1995 mit dem Fall Patrick Roy. Der Mindset der Mannschaft gab zuletzt Anlass zur Sorge und nach der letzten Niederlagenserie sah man sich gezwungen, einen ungewöhnlichen, aber spannenden Weg einzuschlagen: Der NHL-Hall of Famer Martin St. Louis wurde als Interimstrainer vorgestellt. Ohne einschlägige Cheftrainer-Erfahrung im Profibereich – aber mit dem Ziel, neue Impulse zu vermitteln. Und das ist definitiv eine seiner Kernkompetenzen. Diese Massnahme ist der erste publikumswirksame Nachweis des guten Netzwerkes von Neu-GM Kent Hughes.

Bloss keine Verlierer-Kultur zulassen

Der abgesetzte Dominique Ducharme hat eigentlich nicht viel falsch gemacht. Er musste über mehrere Wochen wichtige Stammspieler mit AHL-Spielern ersetzen und die Aufregungen aufgrund vieler unerwarteter Umstände oder Mutationen in der Chefetage vom Team fernhalten. Für sein Konfliktmanagement erhielt er auch Lob und wurde zunächst vom neuen GM Kent Hughes als Chefcoach bestätigt, zumindest bis Ende Saison. Der Erfolgscoach der letzten Saison wurde aber nach der Stanley-Cup-Finalqualifikation 2021 doch noch das nächste Opfer der „Murphy's Law-Saison“ bei den Canadiens de Montréal. Was ihm vorgeworfen wurde: Er hatte das Team emotional nicht mehr erreichen, beziehungsweise die Dynamik der Abwärtsspirale nicht ändern können. Nun reagierte der GM und hat mit Martin St. Louis einen Mann hinter die Bande beordert, der genau das Gegenteil von Ducharme verkörpert. Ducharme gilt als abgeklärter Konzept-Coach mit einer Bilderbuch-Trainerkarriere (ligenübergreifend und als Weltmeistercoach 2018 mit der Junioren-Nationalmannschaft Kanadas).

Kommunikator und Motivator – das braucht es jetzt...

Nun soll Martin St. Louis vor allem dafür sorgen, dass innerhalb der Mannschaft die Arbeitseinstellung und die Motivation keinen Schaden nimmt. Es geht auch darum, keine Verlierer-Kultur innerhalb des Teams zuzulassen. Martin St. Louis ist das Sinnbild eines Spielers, der sich gegen alle Widerstände durchsetzt und dranbleibt – auch wenn es dabei gilt, Berge zu versetzen. Sein Werdegang vor dem NHL-Durchbruch macht ihn in dieser Rolle glaubwürdig. Und er ist ein Québecois. Ex-Teamkollegen wie Victor Hedman oder Alex Killorn sagten, dass sie überzeugt sind von „Martys“ Einfluss und Wirkung auf die Spieler. Etwas Coachingerfahrung hat er gesammelt im Kinderbereich. In der Saison 2018/19 war er kurzzeitig als Berater für die Columbus Blue Jackets (bei seinem ehemaligen Trainer John „Torts“ Tortorella) engagiert.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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