The Checking Line

Es wurde viel darübergeschrieben und debattiert, wohin nun strukturell und in sportlich-technischer Hinsicht die Swiss League hinsteuert. Aber nicht nur die Liga und deren Clubs leiden unter der Entwicklung der letzten zwei bis drei Jahre, sondern auch die SL-Vertragsspieler ohne Star-Status. Diese befinden sich derzeit im Würgegriff der Umstände und die Clubs indessen sitzen im „Driving Seat“ und diktieren die Löhne.

Die Sorgenfalten bei vielen Swiss-League-Spielern werden immer tiefer. Sie beobachten die Situation mit Argwohn, denn eine neue Tendenz spielt ihnen nicht in die Karten. Und darum geht's: Alle NL-Clubs wollen einen Teil ihrer überzähligen oder hoffnungsvollen jungen Spieler in der SL parkieren und zudem einen Partnervertrag eingehen. Meist geht es dabei um eine Anzahl von drei bis fünf Nachwuchs- oder Schwellenspielern. Die Intention ist klar und das Vorgehen logisch: In der Swiss League wird kompetitives und gutes Eishockey gespielt und die NL-Schwellenspieler sollen davon profitieren. Nicht alle können, wie die ZSC Lions beispielsweise, auf eine Struktur wie mit den GCK Lions setzen. Fakt ist: Die NL-Kader umfassen oft bis zu 28 oder gar 30 Spieler. Jene, die nicht regelmässig in der NL spielen müssen bei Laune und in Form gehalten werden und sie brauchen auf höherem Niveau Spielpraxis.

Gut für die Clubs – schlecht für die Spieler

Für die Clubs – besonders für jene, die wirtschaftlich den Gurt enger schnallen müssen - ist das auf den ersten Blick attraktiv: Geht man davon aus, dass man beispielsweise zwei Viertlinien-Spieler, einen Stürmer für die Top Six, einen Verteidiger und sogar einen Goalie vom NL-Partnerteam für nur einen geringen Teil des Lohnes oder gar gratis erhält und allenfalls auch nur das Ausbildungsgeld oder die Lizenzgebühren zu zahlen hat, senkt dies das Salärvolumen signifikant. Und man profitiert von guten Spielern, die in der SL jederzeit im Stande sind zu performen. So weit, so gut. Aus der Sicht der Clubs.

Der Haken dabei ist jedoch, dass in der ohnehin schon mit Teilnehmern ausgedünnten Liga und bei der angespannten finanziellen Lage in manchen SL-Clubs die Kaderplätze eh schon hart umkämpft sind. Geht man mal davon aus, dass die Liga 2023/24 trotz Langenthals freiwilligem Rückzug aus dem Profihockey mit zehn Teams starten sollte (alles andere wäre desaströs!), so könnten rund 30 bis 40 SL-Vertragsspieler weniger einen Arbeitgeber in dieser Liga finden. Bei neun Teams wären das nochmals zirka 20 mehr. Viele würden zudem nur noch als siebter oder achter Verteidiger beziehungsweise 13., 14. oder gar 15. Stürmer im Kader stehen und wenig Eiszeit erhalten. Was dann in der Folge ihren Marktwert empfindlich nach unten drücken würde.

Die weiteren Konsequenzen sind verheerend für einen nicht unerheblichen Teil der SL-Vertragsspieler. Die Löhne sind im Sinkflug für jene, die nicht unbedingt eine Schlüsselrolle einnehmen oder für einen Platz in den Top Six (Stürmer wie auch Verteidiger) vorgesehen sind. Kommt dazu, dass vielleicht nur drei bis fünf SL-Teams auf ein Budget zurückgreifen können, welches erlaubt, marktkonforme Löhne zu zahlen. Da trägt natürlich auch ein wenig effizientes Marketing der Liga bei. Kein Wunder, bei diesem mittlerweile erwirtschafteten Image!

Lohnspirale zeigt abwärts – ausser für die Topspieler

Borderline- beziehungsweise Schwellenspieler in der Swiss League zittern um ihre Jobs. Verdienten diese bisher jeweils zwischen CHF 20'000.- bis zirka CHF 40'000.- jährlich mit Swiss-League-Eishockey, so ist jetzt schon der Trend abwärts zu sehen. Noch viel schlimmer trifft es jene, die es sich nicht mehr vorstellen können, für CHF 40'000.- brutto oder weniger als Profis zu spielen. Einige, die durchaus noch Lust hätten und die Qualität mitbringen in der SL zu verbleiben, wählen dann den Exit aus dem Profisport oder heuern in der MyHockey League an und gehen einer anderen Arbeit nach. Schon jetzt studieren oder arbeiten viele parallel zum Eishockey. Gemäss den meisten Verträgen dürfen sie kein höheres Pensum absolvieren als zehn bis maximal 20 Prozent. Die meisten machen dies natürlich intrinsisch für die eigene Weiterentwicklung, andere tun dies um den Lebensunterhalt zu sichern. Und: Viele müssen ja auch für ihren beruflichen Weg nach der sportlichen Karriere sorgen, da sie auf keine grossen Ersparnisse zurückgreifen können aus dem in der Swiss League erwirtschafteten Geld. Der Traum von einem lukrativen Job in der Eishockeybranche nach der eigenen sportlichen Karriere ist zwar realistisch, aber auch hier nur für wenige.

Ausserdem: Die grössten Schweizer Hockeytalente werden weiterhin Unterschlupf in den National-League-Organisationen finden. Mit der Entwicklung der Swiss League als zweite Profiliga sind die Möglichkeiten geringer, gutes Geld als Eishockeyprofi zu verdienen. Die Folge: es werden womöglich weniger Nachwuchsspieler voll auf die Karte Eishockey setzen. Man bedenke, dass die Schweiz im Vergleich zu den besten Eishockeynationen bereits heute weniger lizenzierte Spieler hat.

Von Joël Wüthrich, CEO Sportagon Schweiz

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

The Checking Line

Kontrovers und manchmal auch provokativ - "The Checking Line" thematisiert heisse Eisen und Dinge, die sich hinter den Kulissen des Schweizer Eishockeys abspielen.