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NHL Observer

Die Toronto Maple Leafs haben einmal mehr ihrem Ruf als Dramaqueen der NHL-Playoffs alle Ehre gemacht: Und dies nicht nur, indem sie zum siebtem Mal in den letzten acht Jahren Playoff-Teilnahme bereits in der ersten Runde als vermeintlicher Geheim- oder Mitfavorit ausgeschieden sind. Es geschah erneut einem dramatischen Drehbuch folgend und wieder nicht ohne Nebengeräusche auf und neben der Eisfläche. Somit bleibt der Nimbus „Losers since '67“ an ihnen haften wie zerkauter Kaugummi in einer Langhaarfrisur.

Alle Jahre wieder hofft die leidgeplagte und dennoch treue Leafs-Nation darauf, dass ihr Herzensclub sein Playoff-Gen wiedererlangt und sie von dem nunmehr 57 Jahre alten Fluch der Erfolglosigkeit befreit. Seit 1967 konnte man als Original-Six-Team und Hockeyhochburg keinen Stanley-Cup-Titel mehr feiern. Was die meisten leidensfähigen und loyalen Fans jedoch noch mehr wurmt: Einmal mehr wurde nicht einmal die erste Playoff-Hürde gemeistert. Zum siebten Mal in den letzten acht Playoff-Jahren.

Der schmale Grat zwischen Hero und Zero!

Dabei sah es 2024 bis knapp zehn Minuten vor Schluss im entscheidenden Game 7 danach aus, als ob alle Schmerzen der letzten Jahre gelindert werden, indem man ein tolles Playoff-Comeback gegen einen Top-Gegner erfolgreich abschliessen könnte. In der Overtime wurden diese Träume jedoch mal wieder im Lake Ontario versenkt. Ein einziges Overtime-Tor verhinderte, dass die Leafs endlich diesen Ruf des „Losers since 67“ abschütteln. Dabei war die Teamzusammenstellung 2024 eigentlich ziemlich Playoff-affin. Und man hatte bei den drei siegreichen Partien verletzte Schlüsselspieler zu beklagen und einige Widerstände mit überraschendem Verletzungspech und Krankheitsfällen zu überstehen. Zunächst fehlte William Nylander drei Partien, danach musste Auston Mathews zweimal aussetzen. Dann verletzte sich der überragende Backup-Keeper Joseph Woll, der das Team in den Partien 5 und 6 wieder heranbrachte. Und vor den Playoffs fielen ebenfalls Stammspieler aus (unter anderem John Klingberg). Dass man diesen Umständen trotzte und dennoch dran blieb gegen die starken Bruins, stärkt oft den Teamspirit zusätzlich. Ergo: Hätten die Leafs dieses Erstrunden-Comeback gegen die Boston Bruins mit einem Overtime-Treffer veredelt, würde man heute von einem Charaktersieg sprechen und sagen: „Die Leafs haben nun endlich das Playoff-Verlierer-Image abgelegt.“ Nur sprechen die Fakten eine andere Sprache: Man ist erneut gescheitert. So schmal ist Grat zwischen Hero und Zero!

Alles war angerichtet für die Stanley-Cup-Sause

Dabei war die Mannschaftszusammenstellung diesmal playoffreif: Auston Matthews, Mitch Marner, William Nylander & Co. zeigten in der Playoff-Serie besonders nach dem 1:3-Rückstand Charakterstärke und performten so, wie man es in den Playoffs erwarten darf. Die Kreativspieler brachten aber nicht nur eine spielerische und mentale Playoff-Fitness mit, sondern wurden gut unterstützt durch die Komplementär- und Rollenspieler. Die Kaderstruktur war gut ausbalanciert. Erfahrene Playoff-Akteure wie John Tavares, Jake McCabe und Joel Edmundson trugen als Playoff-Veteranen viel zur Teamchemie und Charakterbildung bei. Auch junge Spieler wie Matthew Knies oder Simon Benoit zeigten, was sie in den Playoffs zu leisten imstande sind.

Seit 2002 (!) erst einmal zwei Runden überstanden

Was aber jetzt dennoch bleibt ist der Nimbus der „Playoff Losers since 67“, die seit 2002 (!) erst ein einziges Mal das Conference Finale (Runde 3) erreichten und nur zweimal zwei Playoff-Runden überstanden. Früher war man erfolgreich mit Akteuren wie Curtis Joseph, Ed Belfour, Owen Nolan, Mats Sundin, Mikael Renberg, Bryan McCabe, Alexander Mogilny, Robert Reichel, Shane Corson, Darcy Tucker, Tie Domi (der Vater von Max Domi, aktuell im Kader der Leafs), Dimitry Yushkevich und Co.. Das waren Kaderzusammenstellungen wie für die Playoffs geschaffen: Jeweils mit einem Top-Keeper, mit Superstars und Topskorern, die auch die nötige Playoff-Härte und -Mentalität mitbrachten sowie mit Rollenspielern, die zu den effizientesten der Liga gehörten.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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