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NHL Observer

Wenn es um die richtige Wahl der Goalies für die Playoffs geht, gehen die Meinungen der Trainer und Fachleute weit auseinander. Ein entscheidender Faktor ist das viel zitierte Momentum und diesbezüglich auch das Bauchgefühl. Je nach Playoff-Verlauf kann sich in der Goalie-Strategie jedoch situativ vieles ändern, wie man heuer gut beobachten konnte.

Selten zuvor mussten die Coaches in den Playoffs bei ihren Goalie-Entscheidungen so flexibel sein wie 2024. Bei den Vancouver Canucks beispielsweise verletzten sich während der ersten Playoff-Runde zunächst Starting Goalie Thatcher Demko und danach sein Backup Casey DeSmith. Der lettische Nationalkeeper und WM-Held 2023 Artūrs Šilovs rückte als nominelle Nummer 3 nach und machte einen super Job. Demko hätte für die Conference Finals wieder fit sein können, ja sogar für Spiel 7 der Zweitrunden-Serie gegen die Edmonton Oilers. Wie also entscheiden, wer in den nächsten Partien zum Einsatz kommt? Soll es die nominelle Nummer Eins oder der formstarke Backup des Backups sein? Schliesslich fiel die Wahl auf jenen Keeper, der gerade „im Flow“ war, also auf den formstarken Artūrs Šilovs. Dieser zeigte erneut eine starke Leistung, konnte aber nicht verhindern, dass die entscheidende Partie dieser Serie schliesslich mit 2:3 verloren ging.

Formstand und Momentum vs. Bekenntnis zur Nummer Eins

Bekannte Fälle aus der Playoff-Historie, bei welchen man ganz klar nach Formstand, Momentum und Bauchgefühl entschied: In den Playoffs 1971 holten die Montréal Canadiens ihren Farmteam-Goalie als Backup. Dies war kein geringerer als Ken Dryden. Was danach folgte ist historisch: Dryden gewann den Stanley Cup und holte die Conn Smythe Trophy als bester Spieler der Playoffs. Weitere Beispiele: 2006 ersetzte Cam Ward ab Spiel 3 die Nummer Eins der Carolina Hurricanes, Martin Gerber, und hexte das Team zum Stanley-Cup-Sieg. Oder wer erinnert sich nicht an Jaroslav Halak, der 2010 aufgrund seiner überragenden Playoff-Leistungen dem Superstar Carey Price vorgezogen wurde? Zuletzt gelang Adin Hill von den Las Vegas Golden Knights das Kunststück, als Backup einen Stanley Cup zu holen (2023): Hinter Logan Thompson und aufgrund der Verletzung von Robin Lehner kam er auf 25 Einsätze in der Hauptrunde, bevor er in den Stanley-Cup-Playoffs 2023 mit dem Team den Stanley Cup gewann. Er löste dabei im Verlauf der Playoffs Laurent Brossoit im Tor der Golden Knights ab, nachdem Thompson verletzungsbedingt ausfiel. Hill bestritt 16 Partien und beendete die Playoffs mit einer Quote von 93,2%, die beste in der Post Season 2023.

Faustregel „Never change a winning goalie“?

In der Regel sind bezüglich Playoff-Goalie-Strategien zwei Muster dominierend: „Definiere deine Nummer Eins und bleibe dabei“ oder „Never change a winning goalie“. Zweiteres ist gleichbedeutend mit der Strategie, dass man konsequent jenen Keeper einsetzt, der das vorherige Spiel gewonnen hat. Vorausgesetzt, er hatte eine starke Partie. Dies war die bisherige Strategie der Edmonton Oilers, die je nach Formstand Stuart Skinner oder Calvin Pickard einsetzten. Am Schluss war die Strategie erfolgreich, denn Pickard half in den Spielen 4 und 5 der zweiten Playoff-Runde seinem Teamkollegen dabei, sich nach zwei eher durchwachsenen Partien in die Serie wieder zurück zu kämpfen und die beiden Do-or-die-Spiele gegen Vancouver zu gewinnen. Ähnlich operierten zuvor auch die Toronto Maple Leafs mit ihren Playoff-Goalies. Interessant war das Vorgehen der Boston Bruins: Jeremy Swayman und Linus Ullmark bekamen beide ihre Chance während den Playoffs, bis man sich früh auf Swayman als Starting Goalie einigte. Eher konservativ hingegen ist die Goalie-Strategie bei den Florida Panthers, New York Rangers und den Dallas Stars, welche eine klare Nummer Eins definierten und mit diesem Keeper „all in“ gehen werden. Vorausgesetzt, Verletzungen bleiben aus und die Form bleibt konstant.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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