Die Chimäre ist ein Mischwesen mit zwei Oberkörpern und kommt aus der griechischen Mythologie. Während der Ära McDavid/Draisaitl wurden die Edmonton Oilers oft von der nordamerikanischen Fachpresse als zweiköpfiges Monster bezeichnet. Jedoch waren die Oilers in den Playoffs auch einfach zu bespielen, vorausgesetzt, man konnte die beiden Superstars einigermassen neutralisieren. Seit einigen Saisons entwickelt sich die Chimäre jedoch zu einer Hydra - einem Team mit mehreren Leistungsträgern auf allen Positionen. Sie sind somit unberechenbarer – und somit auch erfolgreicher. Dem zweiköpfigen Monster sind also weitere Köpfe gewachsen: Die Edmonton Oilers kann man – um in der griechischen Mythologie zu verweilen – mittlerweile mit einer Hydra vergleichen. Die Hydra ist ein vielköpfiges Ungeheuer der griechischen Mythologie. Wenn sie einen Kopf verliert, wachsen ihr zwei neue, zudem ist der Kopf in der Mitte unsterblich, ihr Hauch tödlich.
Und aktuell feuert ganz Kanada die Hydra, die Edmonton Oilers, an. Viele waren sich einig, dass diese Mannschaft jene sei, die dieses Jahr den kanadischen Stanley-Cup-Fluch besiegen kann. Das hat auch einen guten Grund: Bei den Edmonton Oilers kann man mittlerweile davon sprechen, dass sie die Entwicklung zur Hydra erfolgreich durchlaufen hat. Dies zeigte der bisherige Verlauf der Playoffs 2024 ganz deutlich. Gewiss, Connor McDavid und Leon Draisaitl sind die Leistungsträger und dafür verantwortlich, dass bei den Gegnern ständige Alarmbereitschaft herrscht, wenn sie sich auf dem Eis befinden. Aber die Abhängigkeit von den beiden Superstars hat merklich abgenommen und somit wurden die Oilers unberechenbarer, als Team kompletter und mit einer klaren Playoff-Affinität.
Der Chimäre sind weitere Köpfe gewachsen
Auf jeder Position wurden die talentierten Stars reifer: Evan Bouchard als Blueliner ist bezüglich Playoff-Punkteausbeute absolute Spitze unter den Verteidigern und auf den Spuren eines gewissen Paul Coffey, dem legendären Oilers-Offensivverteidiger – auch wenn die Spielstile etwas unterschiedlich sind. Auch Goalie Stuart Skinner und sein Backup Calvin Pickard haben in diesen Playoffs zuweilen Spiele gestohlen - also durch ihre Paraden und mit ihrer Körpersprache entscheidend zu wichtigen Siegen beigetragen. Das war in der Vergangenheit nur selten der Fall. Stuart Skinner kam sogar aus einem Formtief während der 2. Playoff-Runde wieder heraus und noch stärker zurück.
Auch Skinner, Bouchard, Nougent-Hopkins und Hyman sind die Stars
Die Hydra hat mit Skinner und Bouchard also zwei weitere Köpfe bekommen. Und mit beispielsweise Ryan Nougent-Hopkins und Zach Hyman sind noch weitere dazu gewachsen. Der Nummer-Eins-Draftpick overall 2011 ,Ryan Nougent-Hopkins („RNH“), war schon immer in den vergangenen 13 Jahren ein Schlüsselspieler der Oilers und durchlief alle Höhen und Tiefen mit dem Team. Er ist als vielseitiger, spielintelligenter und umsichtiger Linemate von Connor McDavid sowie als Persönlichkeit von unschätzbarem Wert. Der Zweiweg-Stürmer ist zudem als Unterzahl- und Überzahlspezialist in den ersten Formationen jeweils gesetzt. Als Bumper im Powerplay zeigt er seine Effizienz. Bei Zach Hyman findet man ebenso nur lobende Worte bezüglich Persönlichkeit und Arbeitsethik. Hyman (auch er im McDavid-Trio) ist aktuell bester Torschütze der Playoffs und mit seiner Spielweise wie für die Playoff-Zeit geschaffen.
Einst ein Problem, jetzt der Mehrwert: Die Kader-Balance
Über die in den letzten Jahren aufgebaute, exzellente Balance in der Zusammenstellung des Kaders haben wir an dieser Stelle schon öfter berichtet. Nebst dem, dass mittlerweile nunmehr bezüglich der Zusammenstellung mit den Charaktertypen im Team die Chemie stimmt, so ist man sportlich-technisch top aufgestellt mit zwei starken Produktiv-Trios, einer effizienten und zugleich produktiven dritten Sturmformation (mit Center Adam Henrique, Evander Kane und dem blitzschnellen Dylan Holloway) und natürlich auch mit der Checking Line (Carrick, Janmark, Brown). Auch Playoff-Veteran Corey Perry und der Rollenspieler Ryan McLeod (nach einer Verletzungspause) wurden zu produktiven Elementen dank ihres Centers Leon Draisaitl. Nicht zu vergessen ist auch Warren Foegele als weiterer Offensivspieler, der jederzeit einen Mehrwert erzeugen kann. Um abschliessend wieder die Mythologie zu bemühen: Auch die ehemalige Achillesferse ist nicht mehr existent – die Defensive. Mit Evan Bouchard/Mattias Ekholm, Darren Nurse/Brett Kulak sowie Cody Ceci/Vincent Desharnais (oder Philip Broberg) vertraut man auf ausgeglichene Duos mit jeweils einem Offensiv-Verteidiger und einem top soliden Stay-at-Home-Defender. Besonders beeindruckend ist die Effizienz bei den Special Teams: Im Powerplay ist man bei 35 Prozent und ist somit zusammen mit den bereits frühzeitig ausgeschiedenen Colorado Avalanche mit grossem Abstand absolute Playoff-Spitze. Und noch beeindruckender ist die Unterzahl-Erfolgsbilanz mit beinahe 94 Prozent inklusive der zuletzt 28 PKs in Folge (!). Das ist Franchise-Rekord. Auch bei dieser Statistik sind die Oilers selbstredend statistisch einsame Spitze. Und so sind die Playoffs 2024 die bisher erfolgreichsten seit der letzten Finalqualifikation 2006 für die Oilers und erst recht in der Ära McDavid/Draisaitl.