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NHL Observer

Die Schlagzeilen im NHL-Kosmos lieferten die letzten Tage sportliche Highlights wie Alexander Ovechkins Rekordjagd und auch der immens spannende Kampf um die letzten Wild-Card-Plätze, der sich derzeit zuspitzt. Aber aus rein ökonomischer Sicht hat eine andere Meldung für maximale Aufregung gesorgt.

Viele NHL-Fans haben gegenüber NHL-Commissioner Gary Bettman eher ambivalente Gefühle. Kein Wunder, ist er doch die Verkörperung eines Businessman durch und durch. Die Expansionspolitik der Liga wird unter ökonomischen Aspekten mit "Blick" auf die mittelfristige Wertschöpfungskette durchgezogen. Was oft die kanadischen Eishockeyfans zur Weissglut bringt, wenn man einen neuen Standort in den USA präferiert statt einen im kanadischen „Heartland of Hockey“ mit weitaus mehr Interessenpotenzial. Der oft missverstandene aber durchaus auch eloquente Vertreter der Clubeigner ist aber auch der Architekt des ökonomischen Erfolgs der NHL in den letzten Jahrzehnten. Bei den Clubbossen ist er unantastbar, weil erfolgreich. Und jetzt hat es sich mit einem neuerlichen Meisterstück seines Verhandlungsgeschicks ein weiteres Denkmal gesetzt.

Die NHL in der Champions League der Vermarktung  

Denn: So langsam aber sicher hievt sich die NHL im Bereich der Sportvermarktung und speziell bei den Übertragungsrechten auf das Niveau der anderen vier grossen Mannschaftssportarten in Nordamerika. Die NHL hat mit Rogers Communications einen neuen Vertrag über Streaming- und TV-Übertragungen in Kanada mit einer Laufzeit von 12 Jahren und einem Wert von rund 7,7 Milliarden US-Dollar (11 Milliarden kanadische Dollar) abgeschlossen. Was besonders beeindruckte: Der neue Vertrag, der in der Saison 2026/27 beginnen soll, ist mehr als doppelt so hoch wie der aktuelle Vertrag zwischen der Liga und Rogers. Nun hat es die NHL also auch geschafft, wie die NFL, NBA und MLB ihre Rechte nicht nur wie bisher immer signifikant höher zu vermarkten, sondern sogar zu verdoppeln. Ein Vergleich: Die NFL verzeichnet mit ihrem aktuellen Rechte-Vertrag eine Steigerung der jährlichen Medienrechte-Einnahmen um 75 %, während die NBA mit ihrem Deal eine potenzielle Verdreifachung ihrer Einnahmen anstrebt. Die Zuwächse in der MLB sind im Vergleich moderater, aber dennoch signifikant. Nun spielt auch die NHL im Vermarktungs-Karussell der Grossen mit. Diese Entwicklungen spiegeln den wachsenden Wert von Live-Sportübertragungen wider und unterstreichen die strategische Bedeutung von Medienrechten für die grossen Sportligen.

Vom Rechteinhaber und Content-Anbieter zu einem Hockey-Tech-Media-Unternehmen

Zum Vertragsinhalt: Der Vertrag wird den aktuellen 12-Jahres-Vertrag zwischen der NHL und Rogers aus dem Jahr 2013 im Wert von 5,2 Milliarden kanadischen Dollar (damals ca. 4,9 Milliarden US-Dollar) ablösen. Aufgrund von Wechselkursschwankungen entspricht dieser Betrag heute jedoch 3,64 Milliarden US-Dollar, was die Auswirkungen von Währungsschwankungen auf die Finanzen der Liga verdeutlicht. Der nun abgeschlossene 12-Jahres-Vertrag reflektiert den anhaltenden Wertzuwachs von Live-Sportinhalten, insbesondere im Eishockey-begeisterten Kanada.  

Was bedeutet dies aber für die Liga, für Rogers Communications und für die NHL-Konsumentinnen und -Konsumenten? Für die kommenden zehn Jahre werden nun mehrere Möglichkeiten zur Wertschöpfung möglich: Rogers Communications wird sich vom klassischen Rechteinhaber und Content-Anbieter zu einem Hockey-Tech-Media-Unternehmen transformieren. Der Return On Investment (ROI) kommt nicht nur durch Werbung und Abos, sondern auch durch vertikales Content-Business, neue digitale Produkte und eine konsequente Fanbindung – gerade in jungen Zielgruppen. Das heisst: Einerseits sind erweiterte digitale Angebote möglich und auch in Planung. Mit umfassenden Rechten für TV, digitale und Streaming-Plattformen kann Rogers innovative Dienste wie personalisierte Streaming-Erlebnisse oder interaktive Inhalte entwickeln, um neue Abonnenten zu gewinnen und zusätzliche Einnahmen zu generieren. Auch die Werbeeinnahmen werden steigern – und zwar durch Cross-Channel-Marketing. Durch die erwartete Zunahme der Zuschauerzahlen aber auch möglichen Plattformen können sowohl Rogers als auch die NHL höhere Preise für Werbeplätze bei höherer Präsenz verlangen. Was auch ins Gewicht fallen wird: Die Sub-Lizenzierungsmöglichkeiten. Der Vertrag ermöglicht es Rogers, bestimmte Übertragungsrechte weiterzuverkaufen, insbesondere für französischsprachige Inhalte. Dies hat sich immer als sehr lukrativ erwiesen, da NHL-Eishockey in der Provinz Québec die absolute Nummer-Eins-Sportart ist. Für die Sender RDS und TVA Sports steht es nicht zur Diskussion, diese Übertragungsrechte – besonders jene für die Montréal Canadiens - nicht zu erlangen.

Im Schatten des von der Trump Administration losgetretenen Zollkonflikt mit Kanada ist dies eine gute Nachricht. Insgesamt stärkt dieser Vertrag nämlich die Position von Rogers im kanadischen Sportmedienmarkt erheblich und bietet der NHL eine stabile Einnahmequelle, um das Wachstum und die Popularität des Sports weiter voranzutreiben. Man darf nicht vergessen, dass die gerade mal sieben NHL-Clubs in Kanada (gegenüber den 23 in den USA) bis zu 30 Prozent der Gesamteinnahmen der NHL generieren.

Neue Chancen im vertikalen Cross-Channel-Content-Business

Und was wird in den nächsten Jahren neu möglich sein und wo man die NHL-Inhalte noch intensiver vermarkten können wird? Hier eine Einschätzung ( Working Press Basel/Switzerland – Joël Ch. Wuethrich):

Personalisierte Streaming-Plattformen & OTT-Dienste: 

  • Eigene NHL-App mit Mehrwertdiensten (ähnlich wie NFL+ oder NBA League Pass)
  • Noch mehr Optionen für die Kamerawahl (z. B. “Coach View”, “Goalie Cam”)
  • Echtzeitstatistiken & Augmented Reality
  • Interaktive Elemente wie Live-Votings, Fantasy-Einbindung

Exklusive Inhalte & “Behind the Scenes” Formate:

  • Doku-Serien & Mini-Formate à la Drive to Survive (Netflix)
  • Fokus auf Nachwuchs, Reisen, emotionale Storytelling
  • Potenzial für internationale Lizenzierung
  • Mic’d-up Games & Locker Room Insights: direkter Draht zu Spielern & Coaches

Vertikale Medienplattformen für (neue) Zielgruppen:

  • neue Kurzvideo-Formate für TikTok, Instagram Reels & YouTube Shorts
  • Memes, „NHL Moments“
  • E-Sports & NHL-Gaming-Ligen: z. B. Turniere mit Influencern & Profis
  • Content-Creator-Partnerschaften: Zusammenarbeit mit Hockey-Influencern für Reichweite beziehungsweise neue Zielgruppen.

Interaktive Second-Screen-Erlebnisse:

  • Live-Wetten & Real-Time-Stats in der Rogers-App (unter Auflagen)
  • Gamefied Watching: Punkte sammeln beim Schauen, Quiz, Gewinnspiele
  • Fan-Engagement-Plattformen mit Live-Chats, AI-Co-Kommentaren etc.

Lokale & Community-basierte Inhalte:

  • Hyperlokale Berichterstattung (z. B. in Städten ohne NHL-Team)
  • Jugendhockey-Digitalplattform: Förderung & Markenbindung von unten aufbauen

Internationale Expansion durch Inhalte:

  • Mehrsprachige Streams
  • Geostrategische und Geotargeting-NHL-Pakete für internationale Zuschauer

Die Mitbewerber im Vergleich

National Football League (NFL)

Aktueller Vertrag (2023–2033): Im März 2021 schloss die NFL einen 11-Jahres-Vertrag über insgesamt 110 Milliarden US-Dollar ab, beginnend mit der Saison 2023. Dieser Vertrag umfasst Partnerschaften mit CBS, NBC, Fox, ESPN/ABC und Amazon.  Jährliche Einnahmen: Durch diesen Deal stiegen die jährlichen Medienrechte-Einnahmen der NFL auf etwa 10 Milliarden US-Dollar, was eine Steigerung von 75 % gegenüber den vorherigen Verträgen bedeutet.  

National Basketball Association (NBA)

Geplanter Vertrag (ab 2025): Die NBA strebt einen neuen Medienrechte-Deal im Wert von bis zu 75 Milliarden US-Dollar an, der nach Ablauf der aktuellen Vereinbarungen Ende 2025 in Kraft treten soll. Dies würde eine erhebliche Steigerung gegenüber dem derzeitigen 24-Milliarden-Dollar-Vertrag darstellen. Jährliche Einnahmen: Sollte dieser Deal zustande kommen, würden die jährlichen Einnahmen der NBA aus Medienrechten auf etwa 7,5 Milliarden US-Dollar steigen, was eine Verdreifachung der aktuellen Einnahmen bedeuten würde.

Major League Baseball (MLB)

Der aktuelle Vertrag mit TBS läuft seit 2022 und geht bis 2028: Im September 2020 verlängerte MLB seinen Vertrag mit TBS um sieben Jahre bis 2028, mit einem Gesamtwert von etwa 3,75 Milliarden US-Dollar. Dies entspricht jährlichen Einnahmen von etwa 535 Millionen US-Dollar. Die Gesamteinnahmen aus Medienrechten: Zusätzlich zu diesem Vertrag hat MLB weitere Vereinbarungen mit anderen Netzwerken, die die gesamten jährlichen Medienrechte-Einnahmen auf etwa 1,5 Milliarden US-Dollar erhöhen.  

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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